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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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Aussagen über Ausländer gehört, vor allem, wenn die allgemeine Lage mies war. In Singapur trifft das die Malayen, die Inder, die Eurasier und sogar die Chinesen: Die sind nicht so wie meine Großeltern, die aus China kamen . Aber vielleicht sind die neuen Einwanderer diesen Großeltern überlegen, weil sie wegen ihres Könnens und ihrer Bildungsqualifikationen ausgewählt wurden.
    Heute gibt es nirgendwo mehr Schlagzeilen zum Thema Intoleranz als in dem Bundesstaat, in dem ich aufgewachsen bin. In einem Anfall von Fremdenfeindlichkeit wurde in Alabama im Juni 2011 ein Gesetzesentwurf namens HB 56 ratifiziert, der als drakonischstes Anti-Immigrationsgesetz in den USA gilt. Und die Auswirkungen auf den Bundesstaat waren katastrophal. Im November 2011, als das Gesetz in Kraft trat, flohen Tausende von Einwanderern aus dem Staat, verließen ihre Jobs, die Schulen und ihre Häuser. Die Ernten verrotteten auf den Feldern, was der Landwirtschaft Alabamas, die ein jährliches Volumen von 5,5 Milliarden Dollar aufweist, den Hals brach. Im April hatte es zerstörerische Tornados gegeben, und der Wiederaufbau der Häuser kam zum Stillstand, weil 25 Prozent aller Bauarbeiter den Bundesstaat verließen.
    Die politisch Verantwortlichen hatten dieses Gesetz angeblich formuliert, um arbeitslosen Amerikanern Jobs zu verschaffen. Allerdings zeigten sich die Leute in Alabama unwillig, die Jobs der Leute zu übernehmen, die sie diffamierten. In den Sektoren, wo hauptsächlich Einwanderer aus Lateinamerika arbeiteten, gab es kein Wachstum. Man schätzt, dass in Alabama bis zu 140 000 Jobs verloren gehen könnten. Wenn man die Kosten des Staats für Kranken- und Sozialversicherungen hinzurechnet, liegt der Gesamtverlust des Staats bei etwa 11 Milliarden Dollar oder 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Steuerausfälle von 339 Millionen Dollar bei Staat und Gemeinden sind hier noch gar nicht mit eingerechnet.
    Im November 2011, kurz nachdem das Gesetz in Kraft getreten war, wurde ein Manager von Mercedes-Benz verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Er hatte geschäftlich in der Fabrik des Unternehmens in Tuscaloosa zu tun und wurde von der örtlichen Polizei verdächtigt, ein illegaler Ausländer zu sein, weil er seinen Pass nicht vorzeigen konnte, den er im Hotel vergessen hatte. Der Direktor des Department of Homeland Security – ja, in Alabama gibt es so etwas – erklärte: »Für mich sieht es so aus, dass sich der Polizeibeamte an die Vorschriften gehalten hat.« Einen Monat später wurde ein japanischer Manager der Fabrik von Honda Motors in Lincoln von der Polizei angehalten und erhielt eine Anzeige, weil er keinen gültigen Führerschein hatte (der entweder in Alabama oder in Japan ausgestellt sein musste – sein internationaler Führerschein, in Kombination mit seinem Reisepass, reichte nicht aus).
    Fünf Prozent der Einwohner Alabamas arbeiten für ausländische Firmen. Der spanische Eigentümer von BBVA Compass hat seine Planungen schon abgeblasen, in Birmingham für geschätzte 80 Millionen Dollar ein Bankgebäude zu errichten. Die Golden Dragon Precise Copper Tube Group aus China überdenkt ihre Pläne, in Thomasville für 100 Millionen Dollar eine Fabrik zu errichten. Befürworter der Einwanderung üben auf den koreanischen Autohersteller Hyundai, dessen für 1,4 Milliarden Dollar errichtete Fabrik für 2 Prozent des BIP von Alabama steht, Druck aus, sich gegen das erwähnte Gesetz zu wehren.
    Die katastrophalen ökonomischen Auswirkungen des Gesetzes lassen die Gesetzgeber in Alabama wie Idioten aussehen. Die sozialen und humanitären Kosten der Fremdenfeindlichkeit sprechen für sich selbst. Es gibt Klagen gegen das Gesetz, und die Bundesgerichte prüfen, ob es verfassungswidrig ist. Ein Richter kommentierte die gesetzgeberische Debatte, die zu diesem Gesetz führte: Sie sei »durchsetzt von abfälligen Kommentaren über die Einwanderer aus Lateinamerika«. Das Weiße Haus ist gegen das Gesetz und besteht darauf, dass Gesetze zur Immigration in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen.
    Egal wie diese Frage entschieden wird: Die Gesetzgeber in Alabama, denen wegen der ökonomischen und politischen Folgen ihrer eigenen Dummheit das Wasser bis zum Hals steht, wurden gezwungen, das Gesetz noch einmal zu überdenken. Jeder darf sich seine eigenen Gedanken darüber machen, wie die Würfel fallen werden.
    Die Einwanderungsschlacht setzt sich in verschiedenen Staaten in verschiedenen Variationen fort.
    AMERIKAS HÖCHSTER

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