Die Wanderapothekerin 1-6
Viertelstunde her, dass sie mit ihrer Begleiterin die Stadt betreten hat.«
»Hab Dank!« Tobias wollte weiter, doch hielt ihn der andere fest.
»Ihr habt das Torgeld vergessen!«
»Verzeih!« Tobias griff in seinen Beutel und warf dem Mann eine Münze zu.
»Das ist zu viel! Ihr bekommt noch etwas heraus«, klang es zurück.
»Vertrink den Rest auf mein Wohl!« Mit diesen Worten eilte Tobias durch das Tor, schritt die Straße in Richtung Markt entlang und sah kurz darauf den Grafen und dessen Reiter vor sich. Die Gruppe hatte gerade Klara und eine fremde Frau umringt und bedrohte die beiden mit ihren Waffen.
Da er allein nichts ausrichten konnte, wandte Tobias sich an den nächsten Passanten. »Wo finde ich hier die Stadtwachen?«
»Dort vorne in dem Gebäude«, antwortete der Mann und wies darauf.
»Danke!« Tobias wollte um die Männer des Grafen herumgehen, um die Wachen zu holen. Doch da kamen bereits mehrere Bewaffnete aus dem Gebäude heraus und hielten auf die Gruppe zu.
7.
K lara und Martha hatten die Stadt ohne weitere Zwischenfälle erreicht und glaubten, Graf Benno endgültig hinter sich gelassen zu haben. Während Klara Städte dieser Art bereits kannte, blickte Martha sich staunend um.
»So viele Häuser und so viele Leute! Wie kann es das geben? Die können doch nie genug Getreide anbauen, um alle zu ernähren!«
»Einige haben Äcker vor der Stadt, aber die meisten kaufen Getreide«, antwortete Klara, »und dafür treiben sie Handel. Ihre Handwerker erzeugen viele Dinge, für die andere teures Geld bezahlen.«
Ein Handel, der über das hinausging, was man selbst dringend brauchte, ging über Marthas Verständnis. Sie begriff auch nicht, weshalb Frauen mehr als ein Kleid benötigten und Männer mehr als ein Paar Hosen und ein Wams. Auch für wahren Luxus fehlte ihr völlig der Sinn. Als Klara ihr eine Auslage mit Glaswaren zeigte, schnaubte sie verächtlich.
»Ein hölzerner Becher ist mir lieber als so zerbrechliches Zeug. Wer kann so verrückt sein, dafür Geld auszugeben?«
»Es gibt genügend Menschen, die das tun. Denke nur an deinen Grafen. Der trinkt seinen Wein gewiss nicht aus einem Holzbecher«, wandte Klara ein.
»Nein, der hat einen aus Zinn, aber der ist genauso sinnlos wie einer aus Glas. Der eine bricht und der andere verbiegt sich, wenn man ihn ein bisschen drückt. Ein Becher aus Holz ist weitaus besser!«
Martha hörte sich so überzeugt an, dass Klara es aufgab, sie umstimmen zu wollen. Außerdem war ihr mehr daran gelegen, zu erfahren, ob Tobias bereits eingetroffen wäre. Gerade, als sie sich an einen Passanten wandte, um diesen nach dem Gasthof zu fragen, in dem sie sich treffen sollten, klangen hinter ihr Hufschläge auf. Gleichzeitig vernahm sie Graf Bennos triumphierende Stimme.
»Dort sind sie! Nehmt sie gefangen!«
Innerhalb von Augenblicken waren Klara und Martha von den Männern des Grafen umringt. Sie richteten Degen und Spieße auf sie und sahen ganz so aus, als wollten sie zustoßen, wenn die beiden jungen Frauen auch nur mit der Wimper zuckten.
»Was soll das?«, fragte ein Passant, wurde aber von Gangolf rüde zurechtgewiesen.
»Das geht dich einen Scheißdreck an!«
Nun lenkte auch Graf Benno sein Pferd nach vorne und blickte höhnisch auf Klara und Martha hinab.
»Jetzt habe ich euch! Diesmal werdet ihr mir nicht entkommen.«
Martha krümmte sich unter seinen Worten wie unter Schlägen. Als einer der Kerle abstieg und Martha die Hände auf den Rücken bog, hob sie den Kopf.
»Lasst Klara in Frieden! Sie hat mit dem Ganzen nichts zu tun.«
Graf Benno schüttelte grinsend den Kopf. »Sie hat dir geholfen, und dafür muss sie bestraft werden!«
Außerdem, sagte er sich, musste er die Wanderapothekerin daran hindern, sich an den Richter des Fürstbischofs zu wenden, sonst würde dieser ihm Steine in den Weg legen. Sie hatte sich Marthas angenommen, diese womöglich sogar befreit, und war damit am Tod seiner Männer genauso schuld wie die Hexe.
»Euer Erlaucht, die Stadtwachen kommen!«, teilte Gangolf seinem Herrn mit.
Dieser wandte den Kopf und sah die Bewaffneten hochmütig an.
»Was wollt ihr? Warum hindert ihr mich, Recht und Gesetz durchzusetzen?«
Die einfachen Stadtsoldaten wussten nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten, und waren daher froh, als ihr Offizier herankam, der seinen Rang mit einem weiten blauen Rock und einer blaugoldenen Schärpe um die Leibesmitte herausstrich. Obwohl er von niederem Adel war und daher
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