Die Wanderapothekerin 1-6
Begleiterin recht. Die Neugier trieb die Bewohner zum Brunnen, und diejenigen, die bereits bei ihrem Vater und Bruder gekauft hatten, taten dies auch bei ihr. Sie brachte vielleicht sogar etwas mehr an den Mann und an die Frau als dieser, denn zum einen ließen einige sich von Marthas großsprecherischen Worten einfangen, und zum anderen konnte sie jedes der Heilmittel gut beschreiben.
Als sie schließlich weiterzogen, klangen etliche Münzen in Klaras Beutel. Auch hatten sie erneut genug Lebensmittel erhalten, um die nächsten Tage nicht hungern zu müssen.
So verlief auch der Rest der Woche. Klara begriff rasch, dass Martha ihr an Lebenserfahrung einiges voraushatte. Von einer Kräuterfrau hatte Martha sogar gelernt, wann sie ihren Körper einsetzen konnte, um etwas zu erreichen, ohne dabei schwanger zu werden.
»Die Männer sind so dumm zu glauben, dass sie einer Frau jederzeit ein Kind machen können. Doch in den Tagen, die auf die Mondblutung folgen, besteht keine Gefahr«, erklärte Martha an diesem Abend selbstbewusst. Die beiden übernachteten in einer Hütte im Wald, die sonst von Holzfällern oder Hirten bewohnt wurde, nun aber leer stand.
»Aber so will ich nicht leben! Das ist nämlich Sünde …«, begann Klara und wurde von Martha unterbrochen.
»… sagt der Pastor und betrachtet, wenn sein Weib alt und unansehnlich zu werden droht, seine Konfirmandinnen auch nicht gerade mit keuschen Augen. Der Pfarrer, den Graf Benno sich hält, ist derselbe Hurenbock wie sein Herr. Ich musste nach der Kirche das eine oder andere Mal länger bleiben, um mir von ihm das Himmelreich auf seine Weise erklären zu lassen. Zu Beginn wusste ich noch nicht richtig Bescheid und hatte stets Angst, einen dicken Bauch davon zu bekommen. Später bin ich nur noch zu ihm gegangen, wenn ich mir sicher war, dass nichts passieren konnte. Er ist trotzdem ein Widerling! Beim letzten Mal hat er mir versprochen, dafür zu sorgen, dass Graf Benno bei meinem Vater Gnade walten lässt. Aber dieses Schwein hat ihn trotzdem aufhängen lassen. Der Teufel soll beide holen!«
Klara gefiel die Richtung nicht, die das Gespräch zu nehmen drohte, und schüttelte den Kopf. »Du solltest mehr auf dein Seelenheil achten. Nicht, dass unser Herr Jesus Christus dich am letzten aller Tage verwirft!«
»Wenn ich in die Hölle komme, heize ich all denen, die mir und meinem Vater Böses getan haben, kräftig ein!«
Martha blieb unbelehrbar. In einer Umgebung aufgewachsen, in der Unwissenheit und Aberglaube gediehen und den einfachen Leuten weisgemacht wurde, dass sie auch im Himmel ihrem Grafen zu gehorchen hätten, war der Gedanke an die Erlösung der eigenen Seele schwach geblieben. Die einzige Hoffnung, die Martha hatte, war, dass der Graf in die Hölle kam und deren Fürst ihn durch seine eigenen Leibeigenen quälen ließ. Im Himmel, das erklärte sie Klara, wäre sie nur weiterhin den Launen dieses Mannes ausgeliefert.
Klara versuchte, ihrer Freundin die Religion so zu erklären, wie sie es daheim von ihrem Pastor gelernt hatte, doch Marthas Angst, auch im Himmelreich unter Graf Bennos Herrschaft zu stehen, war zu groß. Für sie war die Hölle der einzige Ort, an dem sie von ihm freikommen konnte.
»Es ist eine Schande, dass euch der Glauben auf eine solche Weise gelehrt wird!«, sagte Klara bedrückt.
»Gelehrt wird er uns schon anders«, antwortete Martha eilfertig. »Da heißt es, dass wir Graf Benno auf Erden wie im Himmel zu gehorchen hätten. Hier auf der Erde mussten wir es notgedrungen tun, doch wir wollen nicht, dass er für das harte Leben, das er uns aufzwingt, auch noch im Himmel belohnt wird. Da ist uns die Hölle lieber, denn dort geht es gerecht zu. Jene, die Böses getan haben, werden dort am meisten bestraft, und Graf Benno hat sehr viel Böses getan.«
»Aber im Himmel hat er keine Macht mehr über dich und alle anderen! Dort ist auch er nur eine Seele unter vielen und muss euch Brüder und Schwestern nennen«, versuchte Klara, ihr zu erklären.
Martha schüttelte abwehrend den Kopf. »Ich will nicht, dass dieses Schwein in den Himmel kommt und sich dann wieder, wenn ihm danach ist, auf mich wälzen kann. Wenn ich schon einem Mann die Schenkel öffne, so soll es sich für mich lohnen.«
Klara gab es auf, Martha überzeugen zu wollen. Dafür fühlte sie sich viel zu müde, und sie wollte am nächsten Tag Bamberg erreichen.
»Wir sollten schlafen, denn wir haben morgen noch einen weiten Weg vor uns«, sagte sie zu Martha
Weitere Kostenlose Bücher