Die Wanderapothekerin 1: Ein beherztes Mädchen (German Edition)
sie?«
»Vielleicht tue ich es!«, trumpfte sein Bruder auf. »Mit Geld kriegst du heutzutage alles.«
»Dann solltest du bald mit dem Sparen anfangen, Alois, denn nur so kommst du zu Geld. Solange du deine Pferdesalben und die Hustentropfen für Fleisch und Wein hergibst, wird es mit dem Reichtum so bald nichts werden.«
Neben dem Ärger über den leichtlebigen Bruder schwang Spott in Martins Stimme mit. Er selbst hatte immer sparsam gelebt und sogar ein wenig Land erwerben können. Auf diesem zog nun seine Frau mit geschickter Hand Kräuter, welche sie an den Laboranten Just verkaufte. Dadurch kam weiteres Geld ins Haus. Zwar konnte er sich keinen reichen Mann nennen, aber es gab nur wenige in seinem Heimatort, deren Besitz den seinen übertraf.
Das war Alois ebenfalls klar, und er ärgerte sich, weil er trotz des Goldes, das er einmal besessen hatte, mittlerweile schlechter gestellt war als sein Bruder. Er hatte seinen Anteil an dem Schatz kurz nach der Heimkehr heimlich an einen Lombarden verkauft, der durch die Lande zog, um Edelmetalle zu sammeln, und war übers Ohr gehauen worden. Das aber hatte er erst viel später begriffen und bedauert, das Gold nicht dem damaligen Grafen und jetzigen Fürsten Ludwig Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt angeboten zu haben. Trotz der Steuern, die er hätte zahlen müssen, wäre sein Anteil größer gewesen als die Summe, die er von jenem Gauner erhalten hatte. Inzwischen hatte er das Schatzgeld restlos aufgebraucht und musste zusehen, wie er mit dem Verdienst als Wanderapotheker zurechtkam.
Obwohl sein Bruder vier Kinder zu versorgen hatte, würde dieser seinen beiden Töchtern reichere Ehemänner verschaffen können als er der seinen. Während er an seinem Fleisch knabberte, grübelte er, wie er das Gespräch fortführen könnte, um sein Schicksal zum Besseren zu wenden.
»Vor ein paar Jahren hast du erzählt, du würdest deinen Anteil an dem Schatz noch besitzen.«
Martin wollte sich gerade einen weiteren Bissen in den Mund schieben. Nun verharrte er auf halbem Weg und sah seinen Bruder verwundert an. »Zum Glück habe ich das Zeug nicht anrühren müssen. Mir ist es auch so gut ergangen.«
»Wenn du es nicht brauchst, kannst du es doch mir geben – oder zumindest einen Teil davon!«, antwortete Alois und streckte die Rechte aus, als erwarte er, der Bruder würde ihm die Goldmünzen auf der Stelle in die Hand zählen.
»Bist du übergeschnappt?«, rief Martin entgeistert. »Ich sagte doch, dass dieses Gold verflucht ist! Wer es verwenden will, dem stößt nur Unglück zu. Denke an dein erstes Weib! Es war weitaus fleißiger und sauberer als die Fiene, die du danach geheiratet hast. Sie hat deine Landwirtschaft gut geführt, und du hast auf deinem Acker einiges ernten können. Heute ist es nicht mehr so. Außerdem sollte deine Frau besser auf eure Tochter achtgeben! Deren Tugend ist nicht so rein, wie sie sein sollte.«
»Das nimmst du zurück, Martin! Reglind ist gewiss nicht schlechter als deine Klara. Aber sie ist hübscher, und deswegen sehen die jungen Herren, die übers Land reiten, sie gerne an. Ganz gewiss wird sie ihre Tugend nicht leichtfertig verschleudern!«, antwortete Alois zornerfüllt.
Zu seinem Ärger steckte ein Körnchen Wahrheit in den Worten seines Bruders. Er traute es seiner Tochter durchaus zu, einem der jungen Herren vom Rudolstädter Hof, die gelegentlich in der Umgebung seines Heimatorts jagten, für ein hübsches Geschenk an einen verborgenen Ort zu folgen. Nicht zuletzt deshalb wollte er sie so rasch wie möglich verheiraten. Als Eidam schwebte ihm Tobias Just vor, der Sohn des Laboranten, dessen Arzneien sein Bruder und er unters Volk brachten. Doch damit Tobias’ Vater Rumold Just Reglind als Schwiegertochter überhaupt in Betracht zog, musste ihre Mitgift weitaus höher sein, als er sie aufzubringen vermochte. Das war einer der Gründe, weshalb er den Bruder kurz vor dem Endpunkt ihrer Wanderung abgepasst hatte.
»Wir reden hier nicht über unsere Töchter, sondern über den Schatz, den wir damals gefunden haben. Da du deinen Anteil nicht brauchst, kannst du mir die Hälfte davon abgeben«, erklärte er mit Nachdruck.
»Niemals! Das Gold ist verflucht! Keiner darf es mehr anrühren.« Martins Miene zeigte deutlich, dass er in diesem Punkt nicht nachgeben würde.
»Wir sind doch Brüder und müssen einander beistehen, wenn es nottut«, beschwor Alois ihn.
»Wenn du Mehl brauchst, Gemüse oder Hilfe bei einer Reparatur,
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