Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
erwiderte sie empört. »Erinnere dich, dass ich fast ihr ganzes Heu gemacht habe. Auch sonst war ich immer wieder bei ihnen, um mit anzupacken, ohne von der Tante auch nur ein Stück Brot oder einen anderen Trunk als Wasser zu bekommen. Ich hätte weitaus mehr Kräuter sammeln und an Herrn Just verkaufen können, wenn ich nicht für Reglind hätte mitarbeiten müssen. Sie aber hat es sich gutgehen lassen.«
»Klara hat recht! Reglind ist ein faules Ding«, stimmte Albert seiner Schwester zu und erhielt dafür von der Mutter eine Ohrfeige.
»Ich will kein Wort mehr gegen die Verwandtschaft hören! Verstanden?«, erklärte Johanna Schneidt streng. »Wir sind auf sie angewiesen, wenn wir die nächsten Jahre überstehen wollen. Oder wollt ihr, dass Herr Just uns das Haus über dem Kopf versteigern lässt, weil wir ihm die Öle und Salben, die Gerold mitgenommen hat, nicht bezahlen können?«
Klara hob erschrocken den Kopf. »So böse kann Herr Just doch nicht sein!«
»Kennst du ihn so gut, dass du das weißt?«, fragte die Mutter zornig. »Doch selbst, wenn er uns die Summe stundet, ist nichts gewonnen. Wovon willst du die Steuern zahlen? Uns kann es gleichgültig sein, ob wir unser Heim verlieren, weil Rumold Just sein Geld fordert oder weil der Amtmann uns vertreibt. Es gibt nur eine Lösung, und das ist die, die der Schwager mir vorschlagen wird.«
Der Tonfall der Mutter zeigte Klara, dass diese keine Widerrede mehr hören wollte. Daher schwieg sie, doch ihre Gedanken drehten sich um den Onkel und das, was dieser als ihre angebliche Rettung ansah. Sie hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache, auch wenn sie noch nicht einmal wusste, worum es ging.
Allerdings kannte sie Alois Schneidt gut genug, um sagen zu können, dass der Onkel nichts vorschlagen würde, was zu seinen Ungunsten ausging. Wenn es wirklich etwas gab, was ihnen Rettung bringen konnte, sollten sie den Onkel außen vor lassen. Noch wagte sie nicht, der Mutter diesen Vorschlag zu machen, aber sie würde darauf achten, dass diese keinen Fehler beging.
Unwillkürlich schüttelte Klara den Kopf. Sie war gerade erst siebzehn geworden, und ihre Mutter sah in ihr noch immer ein unreifes Kind. Daher würde sie sie kaum daran hindern können, dem Onkel zu willfahren.
Eine Möglichkeit fiel ihr ein. Sie konnten ihr Privileg, als Wanderapotheker durch die Lande ziehen zu dürfen, behalten, wenn sie heiratete und ihr Mann das Reff übernahm. Aber diese Vorstellung gefiel ihr ebenso wenig, wie den Willen des Onkels zu erfüllen. Es gab weder hier in Katzhütte noch in der Umgebung einen jungen Mann, der ihr gut genug gefiel, ihn freien zu wollen.
Vielleicht sollte ich nicht ganz so wählerisch sein, dachte sie. Fritz Kircher zum Beispiel war ein arbeitsamer Bursche und würde mit Freuden das Reff nehmen. Allerdings lief Fritz ihrer Base nach und gönnte ihr selbst kaum einen Blick. Daher verkniff Klara es sich, über diese Möglichkeit weiter nachzudenken, sondern sann über einen anderen Ausweg nach.
Missmutig, weil ihr nichts einfiel, verteilte sie schließlich das Essen auf vier Näpfe und stellte diese auf den Tisch. Die Mutter, die behauptet hatte, keinen Hunger zu haben, aß ihren Anteil auf, und die Kleinen sahen sie so sehnsüchtig an, als wollten sie mehr haben. Klara gab ihnen jeweils ein Viertel ihres eigenen Parts und begnügte sich mit dem Rest. Es reichte ihr, denn ihr Magen lag ihr wie ein Klumpen im Bauch, und sie hatte das Gefühl, ihr würde in ihrem ganzen Leben nie mehr etwas schmecken.
3.
A lois Schneidt tauchte bereits früh am Morgen des nächsten Tages bei seiner Schwägerin auf. Statt seiner ledernen Hosen und des Rocks aus derbem Tuch trug er nun dunkelgraue Kniehosen und einen schwarzen Rock. Auch sein Dreispitz und seine Weste waren schwarz.
Als Johanna Schneidt ihn so sah, verzog sie abwehrend den Mund. »Grüß dich, Schwager! Musstest du so erscheinen, als sei bereits bewiesen, dass mein Mann und mein Sohn nicht mehr unter den Lebenden weilen?«
Der harsche Empfang ärgerte Alois Schneidt, und er setzte zu einer entsprechenden Erwiderung an. Doch dann fiel ihm ein, dass ihm ein Streit mit der Schwägerin nichts einbringen würde.
»Ich will dir nicht die Hoffnung nehmen, doch mein Bruder ist nun seit einem Jahr verschollen. Wäre er noch am Leben, hätte er gewiss eine Möglichkeit gefunden, dir wenigstens eine Nachricht zu senden. Daher trauere ich um Martin. Die Kleidung hier trage ich, weil ich heute nach Königsee
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