Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
starrte Klara auf ihren Anteil und versuchte, ihrem Gehirn einen klaren Gedanken abzuringen. Schließlich äugte sie zu Alois hin und tat es ihm gleich, so gut sie es vermochte.
Just beobachtete sie und fand, dass Klara nicht auf den Kopf gefallen war. Es hatte ihn bereits überrascht, wie flüssig sie vorhin gelesen hatte. Zwar wurde den meisten Kindern vom Pastor oder dem Küster das Alphabet beigebracht, doch mangelnde Gewohnheit sorgte dafür, dass viele das Lesen bald wieder verlernten. Schreiben konnte kaum jemand, doch das brauchte Klara auch nicht. Die Hauptsache war, dass sie halbwegs rechnen konnte und sich nicht übers Ohr hauen ließ.
»Das hier ist eine Liste, wie viel das Geld in den jeweiligen Landschaften wert ist«, erklärte er und reichte ihr eine Aufstellung, die Tobias auf seinen Befehl hin hatte erstellen müssen. »Du wirst Münzen verschiedenster Währungen erhalten! Rechne stets um, damit du nicht zu wenig und nicht zu viel verlangst. Das hier«, Just übergab Klara einen kleinen Stapel etwa handgroßer Zettel, »sind die Gebrauchsanweisungen für die einzelnen Medikamente und die Erklärung, dass der Stadtphysikus von Rudolstadt die Mittel geprüft und für gut befunden hat.«
Klara schwirrte nach kurzer Zeit der Kopf, doch Just achtete nicht auf ihre ängstliche Miene, sondern erklärte ihr alles, was sie als schwarzburg-rudolstädtische Wanderapothekerin wissen musste. Gerade, als sie annahm, Just wäre nun am Ende seiner Ausführungen, wies dieser auf seinen Sohn, der eben den großen Krug ihres Onkels und ihren eigenen mit jenem Balsam füllte, der am meisten nachgefragt wurde.
»Ich habe beschlossen, dass Tobias erfahren soll, wie unsere Arzneien an den Mann und besonders an das Weib gebracht werden. Er wird daher mit euch zusammen aufbrechen und jene Apotheker auf euren jeweiligen Strecken aufsuchen, die unsere Medikamente kaufen. Zudem soll er Klara, aber auch dich, Schneidt, gelegentlich ein Stück begleiten. Er wird in den Städten, in denen eure Strecken sich treffen, auf euch warten und euch frische Arzneien übergeben!«
»Aber warum?«, brach es aus Alois Schneidt heraus. Ihm war der Gedanke, den Sohn des Laboranten am Hals zu haben, aus verschiedensten Gründen zuwider.
Im Gegensatz zu ihm begriff Klara auf Anhieb, weshalb Tobias mitkommen sollte. Just traute ihr einfach nicht zu, ihren Weg zu Ende zu bringen. Sobald sie Anzeichen zeigte, dass sie aufgeben wollte, sollte sein Sohn ihr Reff übernehmen und die restliche Strecke ablaufen. Leise fauchend schwor sie sich, alles zu tun, damit es nicht dazu kam.
»Euer Fuhrwerk fährt auch bald los. Du solltest dich daher umziehen, Tobias. Sonst musst du hinterherlaufen«, erklärte Just seinem Sohn.
Klara hätte es Tobias gewünscht, nicht rechtzeitig fertig zu werden. Doch als sie ihr Reff endlich richtig beladen hatte und es auf den Hof hinaustrug, kam der junge Mann mit festen Schuhen, einer ledernen Kniehose und einem knielangen dunklen Rock bekleidet aus dem Haus. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Dreispitz, der ihm, wie sie widerwillig zugeben musste, ganz gut stand.
»Ich bin fertig!«, verkündete er fröhlich. »Soll ich dir dein Reff zum Fuhrwerk tragen?«
Statt einer Antwort klemmte Klara die Daumen unter die Tragriemen und ging los. Der Fuhrmann wartete bereits draußen auf der Straße. Den Wagen hatte er mit Kupferbarren beladen, aber auch mit Harz und Pech sowie mit bemalten Spanschachteln, die bei den feinen Damen in den Städten beliebt waren, weil man darin alles Mögliche verstauen konnte.
»Wer sitzt vorne?«, fragte Tobias und hoffte, dass Alois Schneidt darauf bestehen würde. So geschah es auch. Klaras Onkel stieg auf den Wagen und hieß seine Nichte, ihm sein Reff zuzureichen. Es war schwer, und sie brauchte Tobias’ Hilfe, um es so weit anheben zu können. Danach stemmte sie ihr eigenes Reff in die Höhe.
Während Alois Schneidt sein Traggestell vorsichtig absetzte und gleich festband, damit nichts passieren konnte, legte er das von Klara nachlässig auf die Kupferbarren.
Das Mädchen schoss hoch und richtete ihr Reff gerade noch rechtzeitig auf, bevor sich der Deckel des großen Kruges lösen und die Salbe auslaufen konnte. Zwar bedachte sie den Onkel mit einem zornerfüllten Blick, aber Schneidt kümmerte sich nicht darum. Er machte es sich neben dem Fuhrmann bequem und verwickelte diesen in ein Gespräch. Nun stieg Tobias zu ihr auf den Wagen, räumte ein paar der geladenen Waren beiseite
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