Die Weimarer Republik
Berlin erreicht. Nur in München entstand am 7. November eine autonome revolutionäre Bewegung. Jetztkonnte sich die SPD der Entwicklung nicht länger entziehen. Als die «Revolutionären Obleute» in Berlin, die dem linken Flügel der USPD nahestanden, in Berlin mithilfe der Soldaten für den 10. November Wahlen zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten durchsetzten, musste Ebert den Plan einer Fortsetzung der Koalition mit den bürgerlichen Parteien fallen lassen. Jetzt steuerte er auf eine Verständigung allein mit der USPD zu. In Verhandlungen, die die entscheidenden Fragen über die nächsten Schritte offenließen, wurde die Einsetzung eines paritätisch besetzten Rats der Volksbeauftragten beschlossen.
Damit war der Plan der Revolutionären Obleute durchkreuzt, von den Arbeiter- und Soldatenräten eine provisorische Revolutionsregierung einsetzen zu lassen. Als Ebert die Einigung auf der Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte verkündete, brach Jubel aus. Es wurde ein Vollzugsrat gewählt, wie die Linke forderte, aber er wurde auf Drängen der Soldatenräte paritätisch von MSPD und USPD besetzt. Doch der Vollzugsrat vermochte sich nicht zu einer revolutionären Gegenkraft zu entwickeln. Ende November war er, bedingt durch seine innere Schwäche, weitgehend entmachtet. Zugleich erkannte die Vollversammlung den Rat der Volksbeauftragten als provisorische Regierung an. Dieser war damit sowohl Leitungsorgan der Reichsregierung als auch Spitzenorgan der Rätepyramide und besaß eine doppelte Legitimation: aus der Revolution von oben wie aus der von unten. Als Regierung verfügte er über quasidiktatorische Macht; als Teil der Rätebewegung sah er sich deren Kontrollanspruch ausgesetzt. Diese Doppelstellung des Rats der Volksbeauftragten beschreibt sein politisches Dilemma. Hätte er sich als Revolutionsorgan an die Spitze der Rätebewegung gestellt und den Kampf gegen die «alten Kräfte» aufgenommen, wie es weite Teile der USPD erwarteten, hätte er den Bürgerkrieg gegen die Reichswehr riskiert, dessen Ausgang ungewiss war. Stellte er sich als Übergangsregierung im Namen von Ordnung und Wiederaufbau gegen die Linke, nahm er ebenfalls den Bürgerkrieg in Kauf, aber gegen die eigenen Klassengenossen. Die MSPD entschied sich gegen die Räte. Das mochte dem Bestreben geschuldet gewesen sein, die Verantwortungauf mehr Schultern zu verteilen, sowie der Hoffnung, im Inneren eine rasche Konsolidierung zu erreichen. Das Bündnis mit den Räten wäre ein Experiment mit ungewissem Ausgang gewesen. Deren radikales Potential hätte der Konkurrenz auf der Linken zugute kommen können, obwohl mehr der USPD als dem Spartakusbund.
Die Arbeiter- wie die Soldatenräte waren in dieser frühen Zeit mehrheitlich kein linksradikales Revolutionsorgan, sondern eher ein stabilisierendes Element und hätten keineswegs der Disziplinierung bedurft. Als Protestbewegung gegen Krieg, Hunger und Not standen sie neben den radikalen Parteien, gingen Bündnisse mit ihnen ein, waren aber nicht ein Teil derselben. Die Soldatenräte besaßen auf der unteren Ebene einen hohen Anteil an mittelständischen Mitgliedern; Sozialdemokraten oder gar Kommunisten waren eher schwach vertreten. Sie radikalisierten sich erst, als die OHL sie mit der Rückkehr des Feldheeres offen bekämpfte und im Januar 1919 mit Billigung durch Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske zu entmachten suchte. Die Arbeiterräte in den Großstädten waren aus den Betrieben heraus gewählt worden, in kleineren Städten oft auf Volksversammlungen. Hier schlossen sie meist mittelständische, selbst bäuerliche Elemente ein, in den industriellen Zentren jedoch meist ausdrücklich aus. In vielen Städten gründeten sich als Abwehrbewegung Bürgerräte, auf dem Lande regional auch Bauernräte, die teils über Bürger- bzw. Bauernwehren verfügten. Da die Arbeiterräte im November 1918 mehrheitlich in der Hand des rechten Gewerkschaftsflügels waren, dominierte zunächst die MSPD. Der Spartakusbund, vom Ausbruch der Revolution überrascht, blieb in dieser Phase in den Räten insgesamt schwach. Von den 514 Mitgliedern des I. Reichsrätekongresses, der vom 16. bis 21. Dezember 1918 in Berlin tagte, gehörten etwa 300 der MSPD, 100 der USPD, nur zehn dem Spartakusbund, der Rest bürgerlichen Parteirichtungen an. Aufgrund dieses parteipolitischen Zuschnitts verstanden sich die Räte als Übergangsorgane für die Zeit des Machtvakuums, weniger als Klassenorgane der
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