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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Mai
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USPD mangels jeder Alternative gezwungen, in der am 6. Februar in Weimar unter dem Schutz der Reichswehr eröffneten Nationalversammlung Rücksichten auf ihre bürgerlichen Partner zu nehmen. Ein weiterer Grund kam hinzu: Die Revolution hatte sich in den Ländern längst etabliert, ehe sie Berlin erreichte. Damit war nicht nur eine Vorentscheidung für den Erhalt der föderalen Gliederung gefallen, letztlich auch für das Fortbestehen Preußens, sondern alle Landesregierungen wehrten sich gegen eine Beschneidung ihrer Kompetenzen zugunsten des Reiches. Denn alle Parteien versuchten, ihre regionalen Bastionen zu behaupten. Das galt auch für die MSPD, obwohl die SPD traditionell Befürworterin eines zentralen Einheitsstaates war, wie für die USPD, die in Bayern, Bremen, Braunschweig oder Gotha dominierte und bis zu den Landtagswahlen in Preußen und Sachsen mit der MSPD den regionalen Rat der Volksbeauftragten bildete. Die Volksbeauftragten, mit Separatismusdrohungen angesichts einer erneuten «preußischen Diktatur» konfrontiert, konnten verfassunggebende Versammlungen in den Ländern nicht verhindern. In vier kleineren Ländern, darunter Baden, fanden die Wahlen zu diesen noch vor denen zur Nationalversammlung statt. Die USPD erlitt, außer in Bremen oder Gotha, überall eine Niederlage, und fast überall wurde die MSPD stärkste Partei. Zwar hatten beide in 17 Ländern zusammen eine Mehrheit, aber das waren mit Ausnahme Sachsens nur die kleineren. In den größeren Ländern ergaben sich aus den Landtagswahlen sozialdemokratisch-bürgerliche Koalitionsregierungen, sodass die MSPD in der Nationalversammlung auch Rücksicht auf die Machtverhältnisse in den Ländern nehmen musste.
    Das am 10. Februar 1919 von der Nationalversammlung beschlossene Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt schrieb die föderale Grundstruktur fort. Nicht zuletzt aufgrund des Widerstandes der Länder hatten die Volksbeauftragten einen Bundesstaat mit stark unitarischen Zügen abgelehnt, den der erste Verfassungsentwurf von Hugo Preuß Ende Dezember 1918 vorgesehen hatte. Damit entfiel auch die von Preuß vorgeschlageneReichsreform, mit der durch die Bildung von 16 «Gebieten des Reiches» vor allem Preußen zergliedert werden sollte. Doch dieses verlor lediglich seine verfassungsrechtliche Sonderstellung, die es im Kaiserreich besessen hatte. Die Reichsreform beschränkte sich schließlich auf die Gründung des Freistaats Thüringen, den Anschluss Coburgs an Bayern und Waldecks an Preußen. Ungeachtet der Bestätigung der föderalen Struktur stärkte die Nationalversammlung die Reichskompetenzen: «Reichsrecht bricht Landesrecht», vor allem im Bereich der Steuern, sodass – in Umkehrung der Verhältnisse im Kaiserreich – die Länder nun zu «Kostgängern» des Reiches wurden. Sie konnten zur Erfüllung der ihnen «obliegenden Pflichten» durch Reichsexekution gezwungen werden. Davon betroffen waren 1920 die thüringischen Staaten, 1923 Sachsen und Thüringen sowie 1932 Preußen. Den Ländern verblieb uneingeschränkt nur die Bildungs- und Kulturhoheit. Gleichwohl wurde die föderale Struktur für das Schicksal der Republik bedeutsam. Die Dezentralität begünstigte zunächst die Etablierung der radikalen Linken, bis hin zu den Volksfrontexperimenten in Sachsen und Thüringen 1923. Später beließ die unterschiedliche Verbotspraxis der NSDAP wichtige Freiräume; die Wahlen auf Länderebene ermöglichten ihr den Aufstieg zur Regierungspartei noch vor 1933. Umgekehrt sicherte die Regierungsbeteiligung im «Bollwerk Preußen» der SPD bis 1932 eine Machtbastion.
    Bemerkenswert war, dass die Volksbeauftragten (wie die Nationalversammlung) das Misstrauen des Bürgerlichen Preuß gegenüber dem souveränen Volk teilten. Das allgemeine Verhältniswahlrecht – auf die Frauen ausgedehnt und auf ein Wahlalter von 20 Jahren abgesenkt – sollte jeder Stimme das gleiche Gewicht geben, lokale Wahlbündnisse und ungleiche Wahlbezirke verhindern. Doch der Reichstag als Repräsentant mehr des «numerischen» als des «wahren» Volkswillens sollte nicht zu mächtig sein; es sollte keine «Parlamentsdiktatur» geben. Dem Reichstag wurde ein starker Präsident entgegengestellt, der seine Legitimation ebenfalls aus der direkten Volkswahl bezog und nur auf Antrag des Reichstages durch Volksabstimmung abgesetztwerden konnte. Er verfügte über das Recht, den Reichstag aufzulösen und gegen diesen durch Neuwahlen an das Volk zu appellieren. Das machte

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