Die Weiße Burg
Wort hin sprangen. Irgendwann hielt man es für die natürliche Ordnung der Dinge, und wenn sie dann nicht sprangen, erwischten sie einen auf dem falschen Fuß. Davon abgesehen war sie mit ihren pochenden Kopfschmerzen - jetzt war es ein Pochen! - ohnehin bereit, jeden anzufauchen, der sie auch nur schief ansah, und selbst wenn Leute etwas schlucken mussten, was sie nicht wollten, war so etwas doch niemals gut.
Die Sonne stand genau über ihnen am Himmel, eine goldene Kugel an einem blauen Himmel mit vereinzelten weißen Wolken, aber sie verbreitete keine Wärme, sondern bloß fahle Schatten, und ließ den Schnee glitzern, der nicht zertrampelt war. Die Luft fühlte sich genauso kalt an wie am Fluss. Egwene ignorierte die Kälte, weigerte sich, sich von ihr berühren zu lassen, aber nur die Toten hätten sie nicht bemerken können, wo doch vor jedermanns Gesicht der Atem zu weißem Nebel wurde. Es war Zeit zum Mittagessen, aber es war unmöglich, so viele Novizinnen gleichzeitig essen zu lassen, darum gingen Egwene und ihre Begleiterinnen durch einen Strom weiß gekleideter Frauen, die ihnen aus dem Weg sprangen und auf der Straße ihre Knickse machten. Sie schlug ein derartiges Tempo an, dass sie gewöhnlich längst weiter waren, bevor die Gruppen von Novizinnen mehr tun konnten, als die Röcke anzuheben.
Es war kein langer Weg, es gab nur vier Stellen, an denen sie schlammige Straßen überqueren mussten. Es war davon die Rede gewesen, Holzbrücken zu errichten, die hoch genug waren, um darunter hindurchreiten zu können, aber Brücken hätten dem Lager eine Dauerhaftigkeit verliehen, die niemand wollte. Selbst die Schwestern, die davon gesprochen hatten, drängten nie darauf, sie errichten zu lassen. Also musste man langsam durch den Schlamm waten und darauf achten, Röcke und Umhang hoch genug zu halten, wenn man nicht bis zu den Knien verdreckt eintreffen wollte. Wenigstens verschwanden die Menschenmengen, als sie sich dem Saal näherten. Er stand immer allein da - oder zumindest so gut wie allein.
Nisao und Carlinya warteten bereits vor dem großen Segeltuchpavillon mit seinen geflickten Wänden, die winzige Gelbe nagte auf ihrer Unterlippe herum und betrachtete Egwene nervös. Carlinya war die personifizierte Ruhe, mit in Hüfthöhe gefalteten Händen. Aber sie hatte ihren Umhang vergessen, der bestickte Saum ihres hellen Rocks war schlammverschmiert, und ihre dunklen Locken brauchten dringend eine Bürste. Sie machten ihre Ehrenbezeugungen und gesellten sich ein Stück hinter Egwene zu Anaiya und den anderen beiden. Sie unterhielten sich leise, und die Bruchstücke, die Egwene aufschnappte, klangen harmlos, es ging um das Wetter oder wie lange sie wohl warten mussten. Hier war nicht der richtige Ort, an dem sie in zu großer Vertrautheit mit ihr gesehen werden wollten.
Beonin kam den Gehweg entlanggelaufen, ihr keuchender Atem produzierte weiße Wolken; sie kam rutschend zum Halt und starrte Egwene an, bevor sie sich zu den anderen gesellte. Die Anspannung um ihre blaugrauen Augen war noch deutlicher zu sehen als zuvor. Vielleicht befürchtete sie, dies würde einen Einfluss auf ihre Verhandlungen haben. Aber sie wusste doch, dass die Gespräche nur eine Täuschung sein würden, nur ein Vorwand, um Zeit zu gewinnen. Egwene kontrollierte ihren Atem und machte Novizinnenübungen. Aber nichts davon vertrieb ihre Kopfschmerzen. Das tat es nie.
Sheriam war nirgendwo zwischen den Zelten zu entdekken, aber Egwene befand sich gerade allein auf dem Gehweg vor dem Pavillon. An der einen Seite des Eingangs warteten Akarrin und die fünf Schwestern, die sie begleitet hatten - eine aus jeder Ajah - in einer dicht zusammenstehenden Gruppe. Die meisten begrüßten Egwene mit einem Knicks, hielten aber Distanz. Vielleicht hatte man sie gewarnt, zu niemandem ein Wort zu sagen, bevor sie vor dem Saal sprachen. Natürlich hätte Egwene verlangen können, dass sie auf der Stelle Bericht erstatteten. Sie hätten es auch getan; sie war die Amyrlin. Vermutlich hätten sie es getan. Andererseits war die Beziehung der Amyrlin zu den Ajahs immer heikel, oftmals schloss das auch die Ajah ein, aus der sie erhoben worden war. Fast so heikel wie die Beziehungen zum Saal. Egwene zwang sich zu einem Lächeln und neigte anmutig den Kopf. Wenn sie hinter diesem Lächeln mit den Zähnen knirschte, nun, das half dabei, den Mund geschlossen zu halten.
Nicht alle Schwestern schienen sich ihrer Anwesenheit bewusst zu sein. Akarrin, eine
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