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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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nicht sein …«
    Er unterbrach sich selbst, und sein Spiegelbild im Samowar verzerrte sich von der Bewegung.
    Pause.
    Der Zeiger kroch über die zehnte Minute und strebte – ticktack – gegen Viertel elf.
    »Es wird geschossen, weil die Deutschen Schurken sind«, knurrte plötzlich der Ältere.
    Jelena hob den Kopf zur Uhr und fragte:
    »Wollen die uns etwa unserm Schicksal überlassen?« Ihre Stimme klang traurig.
    Die Brüder wandten ihr wie auf Kommando die Köpfe zu und begannen zu lügen.
    »Keiner weiß was«, sagte Nikolka und biß ein Stück Brot ab. »Ich hab das … hm … als Vermutung gesagt. Das sind Gerüchte.«
    »Nein, das sind keine Gerüchte«, antwortete Jelena trotzig, »das ist die Wahrheit; heute hab ich die Stscheglowa getroffen, die hat mir erzählt, daß zwei deutsche Regimenter aus der Gegend von Borodjanka abgezogen wurden.«
    »Unsinn.«
    »Überlege selbst«, sagte der Ältere, »ist es denkbar, daß die Deutschen diesen Halunken auch nur in die Nähe der Stadt lassen? Na? Mir ist unbegreiflich, wie sie mit dem auch nur eine Minute auskommen können. Ein völliges Absurdum. Die Deutschen und Petljura. Sie nennen ihn selbst nicht anders als Bandit. Lächerlich.«
    »Ach, was erzählst du da! Ich kenne jetzt die Deutschen. Ich habe selber schon einige mit roten Schleifen gesehen. Und einen betrunkenen Unteroffizier mit einem Weib. Das Weib war auch betrunken.«
    »Was hat das zu sagen? Fälle von Zersetzung können auch in der deutschen Armee vorkommen.«
    »Ihr meint also, Petljura wird die Stadt nicht einnehmen?«
    »Hm … Ich halte das für ausgeschlossen.«
    »Apsolman. Gieß mir bitte noch ein Täßchen Tee ein. Reg dich nicht auf. Bewahre, wie es heißt, die Ruhe.«
    »O Gott, wo bleibt nur Sergej? Ich bin überzeugt, der Zug ist überfallen worden und …«
    »Was ›und‹? Warum machst du dir unnötige Sorgen? Die Eisenbahnstrecke ist doch frei.«
    »Warum ist er dann noch nicht zurück?«
    »Oh, mein Gott! Du weißt doch selbst, was jetzt Fahren heißt. Bestimmt haben sie auf jeder Station vier Stunden gestanden!«
    »Eine revolutionäre Fahrt. Eine Stunde fahren, zwei Stunden stehen.«
    Jelena seufzte tief, sah zur Uhr, schwieg eine Weile und begann dann wieder:
    »O Gott, o Gott! Wenn die Deutschen nur nicht diese Niedertracht begehen, dann ist alles in Ordnung. Zwei ihrer Regimenter reichen aus, um euren Petljura zu zerquetschen wie eine Fliege. Nein, ich sehe, die Deutschen treiben ein gemeines Doppelspiel. Und wo bleiben die gepriesenen Verbündeten? Diese Schurken! Nur Versprechungen, Versprechungen …«
    Der Samowar, der bislang still gewesen war, begann plötzlich zu summen, und mit Asche bedeckte Glut fiel aufs Tablett. Die Brüder blickten unwillkürlich zum Ofen. Dort stand die Antwort. Bitte schön:
    Die Verbündeten sind Schurken.
    Der Zeiger verharrte auf Viertel, die Uhr knarrte solide und schlug einmal. Sogleich antwortete ihr eine schrille Klingel in der Diele.
    »Gott sei Dank, da kommt Sergej«, sagte der Ältere erfreut.
    »Das ist Talberg«, bestätigte Nikolka und lief, um aufzumachen. Jelena erhob sich, ihr Gesicht rötete sich leicht.

    Aber es war nicht Talberg. Drei Türen knallten, und im Treppenflur ertönte Nikolkas erstaunte Stimme. Dann eine Antwortstimme. Den Stimmen folgte das Poltern beschlagener Stiefel und das Aufschlagen eines Gewehrkolbens. Durch die Dielentür kam Kälte herein, und vor Alexej und Jelena erschien eine hohe, breitschultrige, bis zu den Fersen in einen Militärmantel gehüllte Gestalt mit khakifarbenen Schulterstücken, auf die mit Tintenstift drei Leutnantssterne gezeichnet waren. Sein Baschlik war reifbedeckt, das schwere Gewehr mit dem braunen Bajonett war so lang wie die Diele.
    »Guten Abend«, sang die Gestalt mit heiserem Tenor und griff mit kältesteifen Fingern zum Baschlik.
    »Vitja!«
    Nikolka half ihm, die Enden aufzubinden, die Kapuze rutschte herab, darunter zeigte sich eine flache Offiziersmütze mit dunkel gewordener Kokarde, und sie erkannten über den mächtig breiten Schultern den Kopf des Leutnants Viktor Viktorowitsch Myschlajewski. Dieser Kopfwar sehr schön, von der merkwürdig traurigen, anziehenden Schönheit einer alten, echten, im Aussterben begriffenen Rasse. Schön waren seine verschiedenfarbigen, kühn blickenden Augen und die langen Wimpern. Die Nase hatte einen kleinen Höcker, die Lippen waren stolz, die Stirn weiß und glatt, ohne besondere Merkmale. Ein Mundwinkel aber war traurig

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