Die Weisse Massai
ausspuckt. Lketinga beginnt sofort, den Burschen zu massieren, und ich mache dasselbe mit dem Mädchen. Ihre steifen Glieder werden langsam weicher. Doch der Knabe ist apathisch und kann nicht gehen. Lketinga trägt ihn nach Hause, ich stütze das Mädchen. Bei dem Gedanken, wie knapp die beiden Kinder dem Tod entgangen sind, bin ich erschüttert.
Mama macht ein böses Gesicht, als sie die Geschichte hört und schimpft mit den Kindern. Wie sich herausstellt, waren sie mit der Herde unterwegs und wollten den Fluß passieren, als die Flutwelle kam. Viele Ziegen wurden vom Wasser mitgerissen, einige konnten sich ans Ufer retten. Mein Mann erklärt mir, daß die Welle größer als er selbst sei und so plötzlich und schnell von den Bergen herunterkäme, daß jeder, der gerade am River ist, keine Chance hat. Jedes Jahr ertrinken mehrere Menschen und Tiere. Die Kinder bleiben bei uns, doch heißen Tee gibt es nicht, das ganze Brennholz ist naß.
Nun schauen wir im Shop nach. Die Veranda ist mit dickem Schlamm überschwemmt, doch im Inneren ist es bis auf zwei kleine Pfützen trocken. Wir gehen zum Chai-Haus, aber auch hier gibt es keinen Tee. Das Tosen des großen Flusses hört man sehr stark, und so gehen wir doch noch hinunter. Er sieht beängstigend aus. Roberto und Giuliani sind ebenfalls da und schauen der Gewalt des Wassers zu. Ich erwähne kurz das Ereignis vom anderen Fluß, und Giuliani geht zum ersten Mal auf meinen Mann zu und dankt ihm mit einem Händedruck.
Auf dem Rückweg nehmen wir aus dem Laden das Öfchen und die Holzkohle mit nach Hause. So sind wir in der Lage, wenigstens heißen Tee für alle zu kochen. Die Nacht ist ungemütlich, weil alles feucht ist. Am Morgen jedoch scheint schon wieder die Sonne. Wir legen Kleider und Decken über die Dornenbüsche in die Wärme.
Einen Tag später verwandelt sich das Land erneut, diesmal sanft und leise. Überall sprießt Gras, und einzelne Blumen wachsen so schnell aus dem Boden, daß man fast zusehen kann. Tausende von kleinen weißen Faltern schweben wie Schneeflocken über das Land. Es ist herrlich, in dieser dürren Landschaft miterleben zu können, wie das Leben erwacht. Nach einer Woche ist ganz Barsaloi ein einziges violettes Blumenmeer.
Aber es gibt auch Nachteile. Abends schwirren schrecklich viele Moskitos herum, und natürlich schlafen wir unter dem Moskitonetz. Es wird so schlimm, daß ich abends sogar noch eine Moskitokeule in der Manyatta abbrenne.
Nun sind zehn Tage seit dem großen Regen vergangen, und wir sind weiterhin durch die beiden mit Wasser gefüllten Flüsse von der Außenwelt getrennt. Obwohl man sie zu Fuß bereits überqueren kann, darf man mit dem Wagen nichts riskieren. Giuliani hat mich eindringlich gewarnt. Es seien bereits einige Fahrzeuge im Fluß steckengeblieben, und man konnte zusehen, wie der Treibsand sie langsam verschlang.
Tage später wagen wir eine Fahrt nach Maralal. Wir nehmen den Umweg, weil im Wald die Straße glitschig und naß ist. Diesmal bekommen wir nicht gleich einen Lastwagen, sondern müssen vier Tage in Maralal herumhängen. Wir besuchen Sophia. Ihr geht es gut. Sie ist schon so dick geworden, daß sie sich kaum bücken kann. Von Jutta hat sie nichts mehr gehört.
Mein Mann und ich verbringen viel Zeit in der Touristen-Lodge. Jetzt ist es besonders faszinierend, das Wasserloch für die wilden Tiere zu beobachten. Wir haben ja Zeit. Am letzten Tag kaufen wir uns ein Bett mit Matratze, einen Tisch mit vier Stühlen und einen kleinen Schrank. Die Möbel sind nicht so schön wie die in Mombasa, dafür teurer. Der Chauffeur zeigt keine große Freude, als er diese Sachen auch noch abholen muß, aber schließlich bezahle ich ja den Laster. Wir fahren ihm hinterher und erreichen diesmal Barsaloi nach fast sechs Stunden problemlos, nicht einmal ein Reifenwechsel war nötig. Zuerst werden die Möbel im hinteren Teil aufgestellt, dann geht die übliche Abladerei los.
Auszug aus der Manyatta
Am nächsten Tag ziehen wir in den Shop. Es ist drückend heiß, die Blumen sind wieder verschwunden, die Ziegen haben ganze Arbeit geleistet. Ich rücke die Möbel hin und her, aber eine gemütliche Atmosphäre wie in der Manyatta will sich nicht einstellen. Aber ich verspreche mir wesentlich weniger Umstände und geregelte Mahlzeiten, was nun dringend nötig ist. Als der Shop geschlossen ist, geht mein Mann schnell nach Hause, um seine Tiere zu begrüßen. Ich koche einen guten Eintopf mit frischen Kartoffeln, Rüben und
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