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Die Weisse Massai

Die Weisse Massai

Titel: Die Weisse Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
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nachzusehen, was los ist. Wie ich höre, ist es eine Gruppe von jungen Italienern in Begleitung eines Schwarzen.
    Einer der jungen Männer sitzt laut schluchzend in der glühenden Hitze, während zwei junge Frauen auf ihn einreden. Auch ihnen laufen Tränen über das Gesicht. Lketinga spricht mit dem Schwarzen, und ich krame ein paar italienische Brocken aus meinem Gedächtnis hervor.
    Was ich zu hören bekomme, ruft trotz der etwa 40 Grad Gänsehaut hervor. Die Freundin des weinenden Mannes sei vor fast zwei Stunden neben den Felsen in den dichten Busch gegangen, um ihre Notdurft zu verrichten. Sie hatten angehalten, weil sie glaubten, die Straße sei hier zu Ende. Die Frau sei keine zwei Meter weit gekommen und vor ihren Augen in die Tiefe gestürzt. Sie alle hörten einen langen Schrei und danach den Aufprall. Seitdem ist kein Lebenszeichen zu hören, trotz Rufen und vergeblicher Mühe, in die steil überhängende Schlucht zu steigen.
    Mich friert, denn ich weiß, hier ist jede Hoffnung vergeblich. Wieder ruft der Mann laut den Namen seiner Freundin. Erschüttert gehe ich zu meinem Mann. Auch er ist durcheinander und erklärt mir, daß diese Frau tot ist, denn hier geht die Wand etwa hundert Meter in die Tiefe, und unten ist ein ausgetrocknetes, steiniges Flußbett. Kein Mensch ist bis jetzt von hier oben hinuntergekommen. Die Italiener scheinen es probiert zu haben, denn verschiedene Seile liegen zusammengeknüpft am Boden. Die beiden Mädchen halten den völlig aufgelösten Mann fest, der schweißnaß und zitternd mit hochrotem Kopf in der sengenden Hitze hockt. Ich gehe zu ihnen und schlage vor, sich unter die Bäume zu setzen. Aber der Mann schreit mit aufgerissenem Mund weiter.
    Als ich zu Lketinga schaue, merke ich, daß er überlegt. Ich stürze zu ihm und frage, was er im Sinn habe. Er will mit seinem Freund irgendwie hinunter und die Frau heraufbringen. Voller Panik halte ich ihn fest und schreie: »No, Darling, that’s crazy, don’t go, it is very dangerous!« Lketinga stößt meine Hand weg.
    Der heulende Mann steht auf einmal neben mir und beschimpft mich, weil ich die Hilfe unterbinden will. Wütend sage ich ihm, daß ich hier lebe und dies mein Mann sei. Er wird in drei Monaten Vater, und ich gedenke nicht, mein Kind ohne Vater großzuziehen.
    Doch schon beginnen Lketinga und der andere Krieger etwa fünfzig Meter weiter oben mit dem gefährlichen Abstieg. Das letzte, was ich sehe, sind ihre völlig versteinerten Gesichter. Samburus meiden Tote, es wird nicht einmal über Tote gesprochen. Ich setze mich in den Schatten und weine still vor mich hin.
    Eine halbe Stunde ist vergangen, und wir haben noch nichts gehört. Meine Angst steigt ins Unerträgliche. Ein Italiener schaut an der Stelle nach, wo sie den Abstieg begonnen haben. Aufgeregt kommt er zurück und erklärt, die beiden auf der anderen Seite der Schlucht gesichtet zu haben, sie hätten eine Art Bahre bei sich.
    Hysterische Aufregung entsteht. Es vergehen weitere zwanzig Minuten, ehe die zwei völlig erschöpft aus dem Busch treten. Sofort springen einige hinzu, um die Bahre, die aus einem Kanga von Lketinga und zwei langen Ästen gebastelt wurde, abzunehmen.
    An den Gesichtern der Massai erkenne ich, daß die Frau tot ist. Auch ich werfe einen Blick auf die Gestalt und bin überrascht, wie jung sie ist und wie friedlich sie daliegt. Wäre nicht der süßliche Geruch, den der Körper bei diesen Temperaturen bereits nach drei Stunden verströmt, könnte man an eine Schlafende denken.
    Mein Mann spricht kurz mit dem schwarzen Begleiter der Gruppe, dann werden ihre Landrover etwas zur Seite gefahren. Lketinga nimmt den Zündschlüssel, denn er will selbst fahren. Jeder Protest meinerseits wäre in seinem starren Zustand zwecklos. Mit dem Versprechen, die Mission zu benachrichtigen, fahren wir über die Felsen weiter. Im Wagen herrscht absolutes Schweigen. Beim ersten River steigen die beiden aus und waschen sich fast eine Stunde. Es ist wie eine Art Ritual.
    Endlich fahren wir weiter, und die Männer unterhalten sich zaghaft. Es ist kurz vor sechs Uhr, als wir in Barsaloi eintreffen. Vor dem Shop ist bereits mehr als die Hälfte der Waren abgeladen. Der mitgefahrene Krieger und Lketingas Bruder überwachen die Helfer. Ich öffne den Shop und stehe in einem schmutzigen Laden. Überall liegen Maismehl und leere Kartons herum. Während Lketinga einräumt, gehe ich zum Missionar. Er ist erstaunt über den Vorfall, obwohl er über Funk schon etwas

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