Die Weisse Massai
Gedanken, in meinem Zustand in die Schweiz zu fliegen. Ich weiß, das würde ich nicht schaffen, teile ich der Ärztin mit. Wir suchen nach anderen Möglichkeiten, denn ich muß in den verbleibenden Wochen mindestens auf siebzig Kilo kommen. Nach Hause darf ich nicht, da es wegen der Malaria zu gefährlich ist. Da fällt mir Sophia in Maralal ein. Sie hat eine schöne Wohnung und kann gut kochen. Mit dieser Möglichkeit ist auch die Ärztin einverstanden. Doch frühestens in zwei Wochen kann ich das Hospital verlassen.
Weil ich tagsüber nicht mehr so viel schlafe, vergeht die Zeit schleppend. Mit meinen Zimmergenossinnen kann ich mich nur spärlich unterhalten. Es sind Samburu-Frauen, die schon mehrere Kinder haben. Zum Teil sind sie bekehrt durch die Mission, oder es waren Komplikationen aufgetreten, so daß sie hierher gebracht wurden. Einmal täglich am Nachmittag ist Besuchszeit. Doch in die Geburten-Abteilung kommen nicht viele Besucher, denn Kinderkriegen ist Frauensache. Inzwischen vergnügen sich wahrscheinlich ihre Männer mit den anderen Ehefrauen.
Langsam mache ich mir auch Gedanken, wo mein Darling bleibt. Unser Wagen wird sicher repariert sein und wenn nicht, könnte er zu Fuß in etwa sieben Stunden hier sein, was für einen Massai kein großes Problem ist. Natürlich bekomme ich fast täglich Grüße von den Schwestern ausgerichtet, die er persönlich bei Pater Giuliani aufgibt. Er ist ständig im Shop und hilft dem Burschen. Mir ist der Laden im Moment egal, ich mag mir keine zusätzlichen Gedanken aufladen. Aber wie soll ich Lketinga erklären, daß ich bis nach der Geburt unseres Kindes nicht mehr nach Hause kommen kann? Sein mißtrauisches Gesicht sehe ich bereits vor mir.
Am achten Tag steht er plötzlich im Türrahmen. Etwas unsicher, doch strahlend setzt er sich auf die Bettkante. »Hello, Corinne, how are you and my baby? Are you okay?« Dann packt er gebratenes Fleisch aus. Ich bin wirklich gerührt. Pater Giuliani ist auch hier in der Mission, und deshalb konnte er mitfahren. Viel an Zärtlichkeiten können wir nicht austauschen, da die anwesenden Frauen uns beobachten oder ihn ausfragen. Dennoch bin ich glücklich, ihn zu sehen, und erwähne deshalb nichts von meiner Absicht, die nächste Zeit in Maralal zu verbringen. Er verspricht, sobald der Wagen repariert ist, wiederzukommen. Giuliani schaut ebenfalls schnell vorbei, und dann sind beide wieder verschwunden.
Nun kommen mir die bevorstehenden Tage noch länger vor. Die einzigen Abwechslungen sind die Besuche der Schwestern sowie die Arztvisiten. Ab und zu bekomme ich eine Zeitung zugesteckt. In der zweiten Woche spaziere ich täglich etwas im Spital umher. Der Anblick der meist schwerkranken Menschen belastet mich sehr. Am liebsten stehe ich an den Bettchen der Neugeborenen und freue mich dabei sehr auf mein Kind. Ich wünsche mir von Herzen, daß es ein gesundes Mädchen wird. Sicher wird es wunderschön bei diesem Vater. Aber es gibt auch Tage, an denen ich Angst habe, mein Kind gerate nicht normal bei all den Medikamenten.
Lketinga besucht mich Ende der zweiten Woche nochmals. Als er mich besorgt fragt, wann ich denn endlich nach Hause komme, bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn mit meinem Vorhaben zu konfrontieren. Sein Gesicht verfinstert sich augenblicklich, und eindringlich fragt er: »Corinne, why do you not come home? Why you will stay in Maralal and not with Mama? You are okay now and you get your baby in the house of Mama!« Alle Erklärungen meinerseits will er nicht glauben. Zu guter Letzt behauptet er: »Now I know, maybe you have a boyfriend in Maralal!«
Dieser eine Satz ist schlimmer als ein Schlag ins Gesicht. Ich habe das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen und kann nur noch losheulen. Dies ist für ihn der Beweis, daß er mit seiner Vermutung richtig liegt. Aufgebracht geht er im Zimmer auf und ab, während er dauernd sagt: »I’m not crazy Corinne, I’m really not crazy, I know the ladies!«
Plötzlich steht eine weiße Schwester im Raum. Erschrocken schaut sie mich und dann meinen Mann an. Sie will sofort wissen, was passiert ist. Weinend versuche ich zu erzählen. Sie spricht mit Lketinga, doch es nützt erst einigermaßen, als der Arzt geholt wird, der sehr energisch mit ihm umgeht. Widerwillig gibt er seine Zustimmung, aber Freude verspüre ich im Moment keine mehr. Zu sehr hat er mich verletzt. Er verläßt das Spital, und ich weiß nicht einmal, ob ich ihn hier oder erst in Maralal
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