Die Weisse Massai
Tiere nach Hause drängen. Vorab die Ziegen, hinter ihnen die Kühe.
Unser Nachtessen besteht aus Ugali, das Lketinga erst spät in der Nacht ißt, wenn alles schläft. Endlich können wir uns lieben. Es muß geräuschlos vor sich gehen, da Mama und Saguna anderthalb Meter von uns entfernt schlafen. Trotzdem ist es schön, seine seidige Haut und sein Begehren zu spüren. Nach diesem Liebesspiel flüstert Lketinga: »Now you get a baby.« Ich muß lachen über seine überzeugten Worte. Gleichzeitig wird mir bewußt, daß meine Regel seit längerem ausgeblieben ist. Doch schreibe ich das eher meinem angeschlagenen Zustand als einer Schwangerschaft zu. Mit dem Gedanken an ein Baby schlafe ich glücklich ein.
In der Nacht erwache ich und fühle ein Ziehen im Magen. Im nächsten Augenblick spüre ich, daß ich Durchfall bekomme. Panik erfaßt mich. Vorsichtig stupse ich Lketinga an, doch er schläft tief. Mein Gott, die Zaunöffnung finde ich nie! Außerdem sind vielleicht die Löwen in der Nähe. Lautlos krieche ich aus der Manyatta und spähe kurz um mich, ob jemand in der Nähe ist. Dann kauere ich mich hinter den Landrover, und schon geht es los. Es will kein Ende nehmen. Ich schäme mich sehr, da ich weiß, daß es ein grobes Vergehen ist, wenn man diese Art von Notdurft innerhalb des Krals erledigt. Papier darf ich auf keinen Fall benutzen, und so reinige ich mich mit meiner Unterwäsche, die ich unter dem Landrover im Fahrgestell verstecke. Meine angerichtete Misere schütte ich mit Sand zu und hoffe, daß am Morgen von diesem Alptraum nichts mehr zu sehen ist. Ängstlich krieche ich zurück in die Manyatta. Niemand wacht auf, lediglich Lketinga grunzt kurz.
Wenn nur kein weiterer Schub kommt! Bis zum Morgen geht es gut, dann muß ich schnell im Busch verschwinden. Mein Durchfall hält an, und meine Beine zittern von neuem. Zurück im Kral schaue ich unauffällig neben den Landrover und stelle erleichtert fest, daß von meinem nächtlichen Mißgeschick nichts mehr sichtbar ist. Ein streunender Hund hat wahrscheinlich den Rest erledigt. Ich erzähle Lketinga, daß ich Probleme habe und gedenke, bei der Mission nach Medizin zu fragen. Doch trotz der Kohletabletten hält der Durchfall den ganzen Tag an. Mama bringt mir selbstgemachtes Bier, von dem ich einen Liter trinken soll. Es sieht scheußlich aus und schmeckt auch so. Nach zwei Tassen zeigt sich zumindest die alkoholische Wirkung, den halben Tag döse ich vor mich hin.
Irgendwann kommen die Burschen vorbei. Lketinga ist im Dorf, und ich kann die Unterhaltung unbeschwert genießen. Wir sprechen über Gott und die Welt, über die Schweiz, meine Familie und über die hoffentlich baldige Heirat. James bewundert mich und ist stolz, daß der in seinen Augen nicht einfache Bruder eine weiße, gute Frau bekommt. Sie berichten viel aus der strengen Schule und wie anders das Leben wird, wenn man eine Schule besuchen kann. Viele Dinge zu Hause verstehen sie nun nicht mehr. Sie erzählen Beispiele, über die wir gemeinsam lachen.
Während der Unterhaltung fragt James, warum ich kein Geschäft mit meinem Auto betreibe. Ich könnte doch für die Somalis Mais oder Zuckersäcke bringen, Leute transportieren etc. Wegen der Straßen bin ich von dieser Idee nicht begeistert, erwähne aber, nach der Hochzeit irgend etwas zu machen, was Geld bringt. Am liebsten hätte ich einen Laden, in dem man alles Eßbare kaufen könnte. Dies ist jedoch zunächst ein Wunsch. Im Moment bin ich zu schwach, und erst muß die Heirat genehmigt werden, bevor ich arbeiten darf. Die Burschen sind von der Idee eines Shops fasziniert. James beteuert, daß er mir in knapp einem Jahr, wenn er seine Schule beendet hat, helfen will. Der Gedanke ist verlockend, doch ein Jahr ist eine lange Zeit.
Lketinga kommt zurück, und kurz darauf verziehen sich die Burschen respektvoll. Er will wissen, worüber wir uns unterhalten haben. Ich erzähle ihm von der vagen Idee mit einem Laden. Zu meiner Überraschung läßt auch er sich mitreißen von dieser Vorstellung. Es wäre der einzige Massai-Laden weit und breit, und die Somalis hätten keine Kunden mehr, denn alle Leute kämen nur zu gerne zu einem Stammesbruder. Dann schaut er mich an und sagt, dies werde viel Geld kosten, ob ich denn soviel habe. Ich beruhige ihn, in der Schweiz sei noch etwas. Aber alles muß gut überlegt werden.
Pole, pole
In letzter Zeit habe ich mich häufig mit verletzten Personen beschäftigt. Seit ich das Kleinkind einer Nachbarin
Weitere Kostenlose Bücher