Die Weisse Massai
erreichen.
Überall steigen jetzt Menschen mit ihren Habseligkeiten aus, während ich mein Gesicht krampfhaft an die Scheibe drücke, um mich im Lichtermeer zu orientieren. Bis jetzt kommt mir nichts bekannt vor. Im Bus sind noch fünf Personen, und ich bin unschlüssig, ob ich nicht einfach aussteigen soll, denn bis zum Busbahnhof will ich auf keinen Fall, dort ist es um diese Zeit für mich zu gefährlich. Ständig schaut der Chauffeur im Rückspiegel zu mir und wundert sich, warum die Mzungu nicht aussteigt. Nach einer Weile fragt er, wohin ich will. Ich antworte: »To Igbol-Hotel.« Er zuckt die Schultern. Da fällt mir der Name eines riesigen Kinos ein, das in unmittelbarer Nähe des Igbol liegt. »Mister, you know Odeon Cinema?« frage ich hoffnungsvoll. »Odeon Cinema? This place is no good for Mzungu-lady!« belehrt er mich. »It’s no problem for me. I only go into the Igbol-Hotel. There are some more white people«, gebe ich zur Antwort. Er wechselt ein paarmal die Fahrspur, biegt mal links, mal rechts ab und hält direkt vor dem Hotel. Dankbar für diesen Service gebe ich ihm ein paar Schillinge. In meinem erschöpften Zustand bin ich um jeden Meter froh, den ich nicht laufen muß.
Es geht hektisch zu im Igbol. Alle Tische sind belegt, und überall stehen Tramper-Rucksäcke herum. Mittlerweile kennt mich der Mann an der Rezeption und begrüßt mich mit »Jambo, Massai-lady!« Er hat nur noch ein Bett in einem Dreierzimmer frei. Im Zimmer treffe ich auf zwei Engländerinnen, die den Reiseführer studieren. Sofort gehe ich in den Gang zum Duschen, meine Beuteltasche mit Geld und Paß nehme ich mit. Ich ziehe mich aus und sehe mit Entsetzen, wie zerschlagen mein Körper ist. Meine Beine, eine Hinterbacke und die Unterarme sind übersät mit blauen Flecken. Aber das Duschen macht aus mir wieder einen etwas komfortableren Menschen. Danach setze ich mich ins Restaurant, um endlich etwas zu essen und die verschiedenen Touristen zu beobachten. Je länger ich den Europäern zuschaue, vor allem den männlichen, desto stärker überkommt mich die Sehnsucht nach meinem schönen Krieger. Kurz darauf verziehe ich mich in mein Bett, um meine müden Knochen auszustrecken.
Nach dem Frühstück marschiere ich zum Swissair-Office. Zu meiner großen Enttäuschung haben sie erst in fünf Tagen einen Platz frei. Das dauert mir zu lange. Bei Kenya-Airways ist die Wartezeit noch länger. Fünf Tage Nairobi, da werde ich mit Sicherheit depressiv. Deshalb klappere ich weitere Fluggesellschaften ab, bis ich bei Alitalia einen Flug in zwei Tagen bekomme, allerdings mit vier Stunden Aufenthalt in Rom. Ich frage nach dem Preis und buche. Anschließend hetze ich zur nahegelegenen Kenya Commercial Bank, um Geld abzuheben.
In der Bank stehen die Menschen Schlange. Der Eingang wird durch zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten bewacht. Ich stelle mich in eine der wartenden Schlangen und kann nach einer guten halben Stunde mein Anliegen vorbringen. Ich habe einen Scheck auf den benötigten Betrag ausgestellt. Es wird ein riesiges Bündel Geld sein, das ich durch Nairobi zur Alitalia bringen muß. Der Mann hinter dem Schalter dreht und wendet den Scheck und fragt mich, wo denn Maralal liegt. Er geht und kommt nach einigen Minuten zurück. Ob ich sicher sei, soviel Bargeld mitnehmen zu wollen? »Yes«, antworte ich genervt. Mir ist selber nicht wohl bei dem Gedanken. Nachdem ich diverse Belege unterschrieben habe, bekomme ich stapelweise Geldnoten, die ich sofort in meinem Rucksack verschwinden lasse. Zum Glück sind fast keine Personen mehr anwesend. Der Bankbeamte fragt nebenbei, was ich mit dem vielen Geld machen will und ob ich einen boyfriend brauche. Ich lehne dankend ab und gehe.
Unbehelligt erreiche ich das Alitalia Office. Erneut muß ich Formulare ausfüllen, und der Paß wird kontrolliert. Eine Angestellte erkundigt sich, warum ich kein Retourticket in die Schweiz habe. Ich erkläre ihr, daß ich in Kenia lebe und vor zweieinhalb Monaten nur ferienhalber in der Schweiz war. Die Dame meint höflich, ich sei aber Touristin, da nirgends vermerkt sei, daß ich in Kenia lebe. All diese Fragen verwirren mich. Ich will lediglich ein Flugticket zurück und bezahle es bar. Doch genau das ist das Problem. Ich habe einen Beleg, daß ich das Geld von einem kenianischen Bankkonto bezogen habe. Als Touristin dürfe ich nicht Kontoinhaberin sein und müsse zudem belegen, daß das Geld aus der Schweiz eingeführt wurde. Sonst müsse
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