Die Weisse Massai
er eine Mama findet, die einen Sohn seines Alters hat, muß sie ihn aufnehmen.
Das erscheint mir nun wirklich zu umständlich, denn wir wollen um fünf Uhr losfahren. Kurz entschlossen biete ich ihm mein zweites Bett an, das an der gegenüberliegenden Wand steht. Im ersten Moment schaut er mich verlegen an und lehnt dankend ab. Er meint, er könne unmöglich im Raum einer Krieger-Braut schlafen, das würde Probleme geben. Ich lache, nehme das Ganze nicht so ernst und sage, er solle es eben niemandem erzählen. Ich gehe zuerst ins Lodging. Dem Wächter gebe ich ein paar Schilling mit der Bitte, mich um 4.30 Uhr zu wecken. Der Junge erscheint eine halbe Stunde später. Voll angezogen liege ich bereits im Bett, obwohl es erst acht Uhr ist. Bei der Dunkelheit draußen ist nichts mehr los, außer in vereinzelten Bars, die ich meide.
Die kahle Glühbirne erhellt den häßlichen Raum in aller Deutlichkeit. An den Wänden bröckelt der blau gestrichene Putz ab, und überall sind braune Flecken, von denen sich dünne Tropfspuren nach unten ziehen. Es sind scheußliche Reste von ausgespucktem Tabak. Daheim in der Manyatta haben das am Anfang Mama und andere ältere Besucher auch gemacht, bis ich mich darüber beschwerte. Jetzt spuckt Mama unter einen der Feuersteine. Das Lodging-Zimmer empfinde ich als äußerst eklig. Der Bursche legt sich angezogen ins Bett und dreht sich sofort zur Wand. Wir löschen die grelle Glühbirne und reden nicht mehr.
Es poltert an der Tür. Ich schrecke aus dem Tiefschlaf auf und frage, was los ist. Noch bevor eine Antwort kommt, sagt der Bursche, es sei schon fast fünf Uhr. Wir müssen los! Wenn der Pick-up voll ist, fährt er einfach ab. Wir raffen unsere Sachen zusammen und stürzen zum verabredeten Ort. Überall stehen Schüler in kleinen Gruppen zusammen. Einige steigen in ein Fahrzeug. Der Rest wartet wie wir in der kalten Dunkelheit. Ich friere fürchterlich. Um diese Zeit ist Maralal kalt und feucht vom Tau. Wir können nicht einmal Tee trinken, da in den Lodgings noch kein Betrieb ist.
Um sechs Uhr fährt der normal verkehrende Bus überbesetzt und hupend an uns vorbei. Unser Fahrer ist noch nicht aufgetaucht. Er scheint es nicht eilig zu haben, da wir auf ihn angewiesen sind. Es wird hell, und wir warten nach wie vor. Nun packt mich die Wut. Ich will weg hier, und zwar heute noch bis Nairobi. Der Junge sucht verzweifelt nach einer Mitfahrgelegenheit, doch die wenigen Wagen sind restlos überfüllt, es gibt nur die Möglichkeit, von einem mit Kohlköpfen beladenen Lastwagen mitgenommen zu werden. Ich sage sofort zu, denn wir haben keine Wahl. Schon nach den ersten paar Metern bezweifle ich, ob ich richtig gehandelt habe. Es ist die reinste Tortur, auf den harten Dingern zu sitzen, die sich dauernd bewegen. Festhalten kann ich mich nur am Geländer, und das schlägt mir ständig in die Rippen. Bei jedem Schlagloch hebt es uns in die Luft, um anschließend auf den harten Kohlköpfen zu landen. Unterhalten kann man sich nicht. Es ist viel zu laut und zu gefährlich, denn bei diesen Schlägen könnte man sich auf die Lippen beißen. Irgendwie überlebe ich die viereinhalb Stunden bis Nyahururu.
Völlig zerschlagen klettere ich vom Laster und verabschiede mich von meinem jungen Begleiter, da ich in ein Restaurant gehen will, um eine Toilette aufzusuchen. Als ich meine Jeans herunterstreife, entdecke ich große violette Flecken an den Oberschenkeln. Mein Gott, bis ich in der Schweiz bin, sind meine mageren Beine auch noch dunkelblau unterlaufen! Meine Mutter wird der Schlag treffen, denn seit meinem letzten Besuch vor zwei Monaten habe ich mich körperlich sehr verändert. Sie weiß bis jetzt nicht einmal, daß ich schon wieder nach Hause komme, unverheiratet und schwer angeschlagen.
Im Restaurant bestelle ich mir eine Cola und ein richtiges Essen. Es gibt Hühnchen, und so verzehre ich ein halbes Poulet mit pappigen Pommes frites. Um hier zu übernachten, ist es noch zu früh. Deshalb schleppe ich meine Tasche zum Busbahnhof, wo wie immer viel Betrieb ist. Ich habe Glück, ein Bus nach Nairobi ist abfahrbereit. Die Strecke ist geteert, was eine Wohltat ist, und ich schlafe auf meinem Sitz ein. Als ich wieder einmal aus dem Fenster schaue, sind wir nur noch etwa eine Stunde von meinem Ziel entfernt. Wenn ich Glück habe, erreichen wir die Megastadt, bevor es dunkel ist. Das Igbol liegt nicht gerade in einer ungefährlichen Gegend. Es dämmert bereits, als wir die Außenbezirke der Stadt
Weitere Kostenlose Bücher