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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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großen Schau als Zuschauer erschienen war, von seiner Umgebung als heimlicher Held bewundern und feiern.
    Nach kurzer Beratung füllte sich der Saal wieder. Niemand wollte versäumen, dieses Sensationsurteil zu hören. Und so blieben schließlich vor dem Saal auf dem weiten Gang allein zwei Leute stehen, die des Saales verwiesenen Eltern der Geschwister Scholl. Meine Empörung und mein Mitgefühl hatten ihr volles Maß erreicht. Ich kehrte um, während die Türen geschlossen wurden, und ging auf die Eltern zu. Ich stellte mich vor als Gerichtsreferendar, sagte mit wenigen Worten, wie mich dieses Verfahren angeekelt hätte, und bot in dieser verzweifelten Lage den Eltern Scholl meine Hilfe an. Wobei es mir wohl klar war, daß es hier überwiegend nur noch um menschliche Hilfe gehen konnte. Während im Saal das Urteil verkündet wurde, sprachen wir über das Verfahren.
    Alsbald ging die Tür auf. Die Zuschauer kamen heraus. Das erwartete Urteil wurde uns bestätigt. Die Eltern trugen es mit bewunderungswürdiger äußerer Fassung. Der Vater versuchte, seinem höchsten Entsetzen noch durch laute Worte Luft zu machen. Ich riet ihm dringend zur Ruhe, um die Katastrophe nicht noch zu vergrößern. Dann kam auch der Pflichtverteidiger des Hans Scholl auf die Eltern zu. Er sprach kein Wort des Bedauerns und zeigte keine Geste des Mitgefühls. Er brachte es fertig, den Eltern in dieser Situation auch noch Vorwürfe darüber zu machen, daß sie »ihre Kinder so schlecht erzogen« hätten.
    Ich riet nun dem Vater Scholl auf seine Frage, was überhaupt noch zu tun bleibe, umgehend mit mir zum Generalstaatsanwalt zu gehen, um ein Gnadengesuch einzureichen. Wir kamen in das Vorzimmer und eine Sekretärin nahm dieses Gesuch zu Protokoll. Mit Mühe konnte noch erreicht werden, daß der Vater Scholl den Generalstaatsanwalt selbst sprach. Trotz Weiterleitung der Bitte durch den Generalstaatsanwalt ließ sich der Oberreichsanwalt selbst, wie zu befürchten war, nicht sprechen.
    Ich verabschiedete mich und gab dem Vater Scholl meine Telefonnummer und Adresse mit der Aufforderung, mich umgehend anzurufen, wenn er noch etwas bräuchte. Ich ging nach Hause und war mir der Gefahr bewußt, in die ich mich bei dem hysterischen Suchen nach Mitverschworenen begeben hatte durch mein Verhalten. In meiner Wohnung verräumte ich alles, was hätte Verdacht erregen können.
    Nach wenigen Stunden rief mich Vater Scholl an und bat mich um ein Treffen. Wir verabredeten und trafen uns etwa um 18.30  Uhr in der Gaststätte »Humpelmayr«. Außer den Eltern war noch der jüngere Bruder Scholl, der gerade auf Fronturlaub war und eine dem Kreise nahestehende, dem Hans Scholl befreundete Studentin dabei, die dann im nächsten Verfahren selbst vor Gericht stand. Alsbald bat mich Vater Scholl, das noch ausstehende Gnadengesuch für den Mitverurteilten Christoph Probst zu schreiben. Dieses sollte gleich am nächsten Morgen der am Tegernsee im Wochenbett liegenden Frau des Christoph Probst zur Unterschrift gebracht werden, so daß es dann umgehend eingereicht werden konnte.
    Als ich kaum dem Vater Scholl das Gnadengesuch ausgehändigt hatte, erfuhr ich von einem Bekannten, der zufällig an einem der Nebentische saß, daß im Radio bekanntgegeben wurde, die Todesurteile seien schon um 17  Uhr vollstreckt worden. Ich brachte es an diesem Abend nicht fertig, der Familie dies noch zu sagen. Wir saßen anschließend einige Stunden zusammen und sprachen über das Schreckliche des Tages. Daneben versuchte ich zu beruhigen und abzulenken. Dann, etwa um 22  Uhr, brachten wir die Eltern zum Zug nach Ulm, und in den stillen Straßen des nächtlichen Münchens stand ich noch kurz mit dem später auch in Rußland gefallenen Bruder Scholl; dann gingen wir auseinander.

Pfarrer Dr. Karl Alt, München, evangelischer Gefängnisgeistlicher am Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim
    Wie sie starben
    Die letzten Stunden der Geschwister Scholl
     
    Am 22 . Februar 1943 wurden die Geschwister Scholl wegen Abfassung und Verbreitung antinationalsozialistischer Flugblätter vom Volksgerichtshof in München zum Tode verurteilt und noch am gleichen Tage im Gefängnis mit dem Fallbeil getötet …
    Christoph Probst, der ungetauft war, ließ sich noch in dieser letzten Stunde von dem katholischen Gefängnisgeistlichen taufen und die Sterbesakramente reichen. Ich selbst war fernmündlich und eiligst zu den Geschwistern Scholl gerufen worden. Bebenden Herzens betrat ich die Zelle

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