Die Weiße Rose
erfuhren, daß dies nicht der Fall war. Bezeichnend war auch, daß die Vollstreckung des Urteils eigens einige Zeit zurückgestellt werden mußte, weil es der Gefängnisdirektor für nötig erachtete, vorher noch im Hinrichtungsraum zusammen mit dem Scharfrichter den drei SS -Offizieren einen Vortrag über das Alter, die Einrichtung und die Wirkungsweise der Hinrichtungsmaschine zu halten. Es waren für mich, der ich eben noch in der Todeszelle bei einem der Todgeweihten geweilt hatte, fürchterliche Minuten: Auf der einen Seite der Idealismus und die sittliche Größe eines jungen Menschenlebens, das bereit war in wenigen Augenblicken dafür zu sterben, auf der andern die lüsterne Gier des Untermenschentums nach dem Anblick der Tötung eines wehrlosen Opfers.
Und dann ging Alexander Schmorell seinen letzten Gang. Fest und laut erklang sein »Ja« in dem dumpfen Hinrichtungsraum, als ihn der amtierende Staatsanwalt fragte, ob er Alexander Schmorell sei. Rasch traf mich noch ein letzter grüßender Blick von ihm und schon wenige Sekungen später war Alexander Schmorell nicht mehr.
Zutiefst erschüttert verließ ich den Raum. Als ich in den Gefängnisgang zurückkehrte, kam ich an der Todeszelle des Professors Dr. Huber vorbei. Er war das nächste Opfer, das dem Moloch Hitler gebracht werden mußte. Und schon wurde auch er aus seiner Zelle geführt, nachdem er noch laut dem Gefängnisgeistlichen einen letzten Hoffnungsgruß auf ein Wiedersehen in einer andern, besseren Welt zugerufen hatte. Der Geistliche begab sich an das Gangfenster, von dem aus man zu dem gegenüberliegenden kleinen Gebäude, in dem sich der Hinrichtungsraum befand, hinübersehen konnte. Kurz darauf erscholl ein dumpfer Schlag. Wir wußten, daß auch Professor Dr. Huber sein Leben für die Freiheit geopfert hatte. Der Gefängnisgeistliche machte segnend in Richtung des Totenraumes das Zeichen des Kreuzes. Dann tauschten wir stumm einen Händedruck und ich verließ dieses furchtbare Haus des Grauens, um den Eltern des Alexander Schmorell den Tod ihres Sohnes mitzuteilen.
Reaktionen und Stimmen
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Todesurteile
wegen Vorbereitung zum Hochverrat
LPM . Der Volksgerichtshof verurteilte am 22 . Februar 1943 im Schwurgerichtssaal des Justizpalastes den 24 Jahre alten Hans Scholl, die 21 Jahre alte Sophie Scholl, beide aus München, und den 23 Jahre alten Christoph Probst aus Aldrans bei Innsbruck, wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen Feindbegünstigung zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Das Urteil wurde am gleichen Tag vollzogen.
Die Verurteilten hatten sich als charakteristische Einzelgänger durch das Beschmieren von Häusern mit staatsfeindlichen Aufforderungen und durch die Vorbereitung hochverräterischer Flugschriften an der Wehrkraft und dem Widerstandsgeist des deutschen Volkes in schamloser Weise vergangen. Angesichts des heroischen Kampfes des deutschen Volkes verdienen derartige verworfene Subjekte nichts anderes als den raschen und ehrlosen Tod.
Februar 1943
Thomas Mann in der periodischen Rundfunksendung ›Deutsche Hörer!‹ vom BBC , London
Ich sage: Ehre den Völkern Europas! Und ich füge etwas hinzu, was im Augenblick manchem, der mich hört, befremdlich klingen mag: Ehre und Mitgefühl auch dem deutschen Volk! Die Lehre, daß man zwischen ihm und dem Nazitum nicht unterscheiden dürfe, daß deutsch und nationalsozialistisch ein und dasselbe seien, wird in den Ländern der Alliierten zuweilen, nicht ohne Geist, vertreten; aber sie ist unhaltbar und wird sich nicht durchsetzen. Zuviele Tatsachen sprechen dagegen. Deutschland hat sich gewehrt und fährt fort, sich zu wehren, so gut wie die anderen.
Jetzt ist die Welt zutiefst bewegt von den Vorgängen an der Münchener Universität, wovon die Nachricht durch Schweizer und schwedische Blätter, erst ungenau, dann mit immer ergreifenderen Einzelheiten zu uns gedrungen ist. Wir wissen nun von Hans Scholl, dem Überlebenden von Stalingrad [3] , und seiner Schwester; von Adrian [Christoph] Probst, dem Professor Huber und all den anderen; von dem österlichen Aufstand [4] der Studenten gegen die obszöne Ansprache eines Nazi-Bonzen im Auditorium maximum, von ihrem Märtyrertod unterm Beil, von der Flugschrift, die sie verteilt hatten, und worin Worte stehen, die vieles gut machen, was in gewissen unseligen Jahren an deutschen Universitäten gegen den Geist deutscher Freiheit gesündigt worden ist.
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