Die Weiße Rose
erlittenen Verwundung in einem Frontlazarett lag, Abschiedsbriefe geschrieben, die nicht angekommen sind. Ohne eine Träne zu vergießen, feierte auch sie das heilige Mahl, bis der Wächter an die Zellentür pochte und sie hinausgeführt wurde, wobei sie aufrecht und ohne mit der Wimper zu zucken noch ihre letzten Grüße an den ihr unmittelbar folgenden, innigst geliebten Bruder ausrichtete.
Dessen Abschiedsbrief, der ebenfalls nicht weitergeleitet wurde, enthielt folgende Sätze:
»Meine allerliebsten Eltern! … Ich bin ganz stark und ruhig. Ich werde noch das heilige Sakrament empfangen und dann selig sterben. Ich lasse mir noch den 90 . Psalm vorlesen. Ich danke Euch, daß Ihr mir ein so reiches Leben geschenkt habt. Gott ist bei uns. Es grüßt Euch zum letzten Male Euer dankbarer Sohn Hans.«
Dies war
vor
dem Sakramentsempfang geschrieben worden. Nach demselben wurde noch, während ich bei Sophie weilte, hinzugefügt:
»P. S. Jetzt ist alles gut! Ich habe noch die Worte des I. Korintherbriefes gehört: ›Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz und eine klingende Schelle …‹«
Bevor er das Haupt auf den Block legte, rief er noch mit lauter Stimme:
»Es lebe die Freiheit!« – – –
So starben die Geschwister Scholl. –
Zwei Tage später wurden die beiden abends im abgeschlossenen Friedhof am Perlacher Forst unter Aufsicht der Gestapo zu Grabe getragen. Schneeweiß leuchteten die Berggipfel des Zugspitzmassives herüber, glutrot ging der Sonnenball unter. Nur Weniges konnte und durfte vor dem engsten Familienkreis verkündet werden. Es wurde auf die Berge hingewiesen, »von denen uns Hilfe kommt« in allen Nöten, und auf
die
Sonne, die nie untergeht, sondern auch in die traurigsten und dunkelsten Herzen Trost und Kraft hineinstrahlt …
Rechtsanwalt Dr. Siegfried Deisinger, München Verteidiger von Alexander Schmorell
Als ich Alexander Schmorell an seinem Todestage, dem 13 . Juli 1943 , nachmittags besuchte, um ihn auf seinem letzten Gang zu begleiten, da traf ich in der Todeszelle einen Menschen an, der eben vorher die letzten Tröstungen seiner Religion empfangen und alles Irdische schon weit von sich geworfen hatte. Unvergeßlich sind mir seine Worte, die er fast heiter zu mir sprach: »Sie werden erstaunt sein, mich in dieser Stunde so ruhig anzutreffen. Aber ich kann Ihnen sagen, daß ich selbst dann, wenn Sie mir jetzt die Botschaft brächten, ein anderer, z.B. der Wachtmeister hier, der mich zu bewachen hat, sollte für mich sterben, ich trotzdem den Tod wählen würde. Denn ich bin jetzt überzeugt, daß mein Leben, so früh es auch erscheinen mag, in dieser Stunde beendet sein muß, da ich durch meine Tat meine Lebensaufgabe erfüllt habe. Ich wüßte nicht, was ich noch auf dieser Welt zu tun hätte, auch wenn ich jetzt entlassen würde.«
…
Und dann kam der Augenblick, wo auch ich als Verteidiger die Zelle verlassen mußte, da die Todesstunde herannahte und die letzten Vorbereitungen für die Vollstreckung des Urteils begannen. Stark und tapfer verabschiedete sich Alexander Schmorell von mir. Sein letzter Gruß galt seinen Angehörigen. Aus ihm sprach so recht die innige Sohnes- und Bruderliebe, von der er erfüllt war.
Ich begab mich in das Kommissionszimmer des Gefängnisses, wo sich die Gerichtskommission vor der Urteilsvollstreckung zu versammeln pflegte. Der Zeitpunkt der Vollstreckung war auf 17 Uhr festgesetzt. Ungefähr eine Viertelstunde vorher erschienen zur allgemeinen Überraschung drei SS -Offiziere im Rang eines Oberstleutnants bzw. eines Majors und wiesen die schriftliche Genehmigung des Generalstaatsanwalts und der Gestapo vor, der Urteilsvollstreckung auf ihren eigenen Antrag hin beiwohnen zu dürfen. Es war diese Genehmigung eine besondere Ausnahme, da bei einer Vollstreckung grundsätzlich die Anwesenheit dritter Personen, selbst von Gefängnisbeamten, strengstens untersagt war. Unvergeßlich wird mir das Gesprächsthema bleiben, das diese SS -Offiziere mit dem zur Gerichskommission gehörenden Gefängnisarzt führten. Sie unterhielten sich nämlich über den Zeitpunkt des Eintritts des Todes bei einer Vollstreckung durch den Strang und über die Möglichkeiten, diesen je nach Wunsch schneller oder langsamer eintreten zu lassen. Offenbar hatten sie erwartet, daß auch an diesem Tage die Vollstreckung durch den Strang vorgenommen werde und waren wohl innerlich enttäuscht, als sie
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