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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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auszuliefern. Drohungen halfen auch nichts. Wenn man sie zur Hochzeit zwinge, würde sie davonlaufen und ihrer Familie Schande machen. Nun, dachte er befriedigt, diesen Bewerber wird selbst mein querköpfiges Kind nicht ausschlagen können.
    »Kaiserin Irmingard ist vor wenigen Wochen gestorben. Gott sei ihrer Seele gnädig«, sagte der Graf, sah Judith in die Augen und verkündete: »Jetzt sucht der Kaiser eine neue Gemahlin.«
    Seinen anderen Kindern stockte der Atem, doch Judith schien gänzlich unberührt.
    »Mit dem Maßband?«, fragte sie spitz und deutete auf die Stoffschlange, die Frau Stemma ungeduldig durch die Finger schnellen ließ. Den kleinen Schuh hatte sie auf den Tisch gestellt.
    »Füße und Leib müssen gewissen Anforderungen entsprechen«, antwortete die Abgesandte des Kaiserhofs unwirsch.
    »Wie steht es mit dem Kopf?«, erkundigte sich Judith.
    »Der ist schön genug.«
    »Könnt Ihr denn ermessen, ob auch sein Inhalt den gewissen Anforderungen entspricht? Oder gibt es dafür keine?«
    Empört wandte sich Frau Stemma an den Grafen.
    »Teilt Eurer vorwitzigen Tochter mit, dass sie sich zu fügen habe!«
    »Liebe Frau Stemma, für die Erziehung meiner Tochter und ihre Vorwitzigkeit bin nicht ich verantwortlich, sondern der kaiserliche Hof.« Mit Genugtuung führte er kurz aus, dass Judith erst seit vier Jahren bei ihrer Familie lebe. »Kaiser Karl hat sie nach dem letzten Sachsenaufstand – meine Frau ist nämlich die Tochter des Sachsenführers Widukind – als Geisel in seinem Haushalt aufgenommen und mit seinen Kindern und Enkeln erziehen lassen. Damals war sie erst acht Jahre alt. Als ich sie mit Kaiser Ludwigs gnädiger Erlaubnis vom Aachener Hof holte, war sie bereits achtzehn. Da gab es nicht mehr viel zu erziehen«, setzte er grimmig hinzu.
    »Sie hielt sich als Achtzehnjährige noch an Kaiser Karls Hof auf?«, fragte Frau Stemma ungläubig und blickte ihre beiden Begleiter vielsagend an. »Dann, Herr Welf, ist eine ganz bestimmte gründliche Untersuchung Eurer Tochter unumgänglich! Ihr versteht, was ich meine?«
    Graf Welf verstand nur zu gut. Genau darum hatte auch er sich sehr gesorgt, als er Judith in Aachen abgeholt hatte. Im ganzen Reich schwirrten damals Gerüchte über die Lebensumstände am Kaiserhof umher. Gerüchte, die jeden ehrenwerten Mann, der ein keusches Weib heimführen wollte, abschrecken konnten. Zweifel an Judiths Jungfernschaft waren also durchaus angebracht, vor allem auch, da das Mädchen von ihrer wunderlichen Tante Gerswind erzogen worden war, immerhin der letzten Kebse des Kaisers.
    »Es herrschten damals gänzlich andere Sitten am Hof als jetzt unter unserem guten und frommen Kaiser Ludwig«, bestätigte der Wortführer. »Da kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Zumal Eure Tochter für eine Braut schon sehr alt ist. Wieso ist sie nicht schon längst verheiratet?«
    »Weil ihr kein Mann gut genug ist«, platzte Judiths Bruder Konrad heraus. »Und jetzt will der Kaiser sie wirklich zur Braut nehmen?«
    »Das bleibt abzuwarten«, erklärte Graf Welf und tippte auf das Pergament neben sich. »Hier steht, dass er seine neue Gemahlin aus einer Familie der Großen des Landes erwählen wird.«
    Der Großen des Landes! Bei diesen Worten lächelte Graf Welf ein wenig verärgert in sich hinein. Er verfügte zwar über beträchtlichen Besitz im ostrheinischen Gebiet, doch war das einstmals so hoch geschätzte Welfenhaus zwei Generationen zuvor in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden. Welfs Großvater Ruthard hatte es unter dem Hausmeier und späteren König Pippin, dem Vater des verstorbenen Kaisers Karl, nach dem Blutgericht von Cannstatt zu hohem Ansehen gebracht. Damals, als Pippins Bruder Karlmann sämtliche wehrlose Alemannenfürsten hatte niedermetzeln lassen, war Ruthard beauftragt worden, im führerlosen Alemannien Ordnung zu schaffen. Was ihm vorzüglich gelang und ihn wahrlich nicht ärmer machte – ganz im Gegenteil. Und später hatte Ruthard gemeinsam mit dem berühmten Abt Fulrad von Saint Denis König Pippin nach Rom begleitet, wo das Bündnis zwischen Papst und Frankenkönig begründet worden war. Was dem Ansehen und dem Vermögen der Familie auch zugute gekommen war. Doch als Karl, der inzwischen ›der Große‹ genannt wurde, nach dem Tod seines Vaters Pippin den Thron bestieg, wollte er sich der Verdienste der Welfenfamilie nicht mehr erinnern und schloss sie aus dem Kreis der Berater und Hofangehörigen aus. Genau wie sich Kaiser

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