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Die Welle

Titel: Die Welle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morton Rhue
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Hitler die Möglichkeit, in der Nazipartei schnell aufzusteigen. Er pflichtete der Lehre bei, die Juden seien die Zerstörer aller Kultur, und die Deutschen seien Angehörige einer höher stehenden Rasse. Heute wissen wir, dass Hitler ein Psychopath war. 1923 wurde er wegen seiner politischen Aktivitäten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, doch im Jahre 1933 übernahm seine Partei die Regierungsmacht in Deutschland.«
    Ben schwieg einen Augenblick, damit die Schüler sich ganz auf den Film konzentrieren konnten. Sie sahen jetzt die Gaskammern und Menschenleiber, die wie Brennholz aufgestapelt waren. Noch lebende menschliche Skelette hatten die entsetzliche Aufgabe, die Toten unter den wachsamen Augen der SS-Leute aufzuschichten. Ben spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Wie war es nur möglich, dass ein Mensch einen anderen Menschen zu einer solchen Arbeit zwang?
    Den Schülern sagte er: »In diesen Todeslagern spielte sich ab, was Hitler die ›Endlösung der Judenfrage‹ nannte. Aber jedermann – nicht nur die Juden – konnte in ein solches Lager geschickt werden, wenn er von den Nazis nicht als tauglich befunden wurde, der ›Herrenrasse‹ anzugehören. In ganz Osteuropa pferchte man die Menschen in Lager. Zunächst leisteten sie harte Arbeit, hungerten, wurden gefoltert, und wenn sie nicht mehr arbeiten konnten, endeten sie in den Gaskammern. Ihre Überreste wurden in den Öfen verbrannt.« Ben schwieg einen Augenblick, ehe er hinzufügte: »Die Lebenserwartung der Gefangenen in den Lagern betrug zweihundertsiebzig Tage. Viele überlebten noch nicht einmal eine Woche.«
    Auf der Leinwand sah man jetzt die Gebäude, in denen die Öfen standen. Ben dachte daran, die Schüler darauf aufmerksamzu machen, dass der Rauch, der aus den Schornsteinen aufstieg, das Verbrennen von Menschenfleisch anzeigte. Er tat es nicht. Es war auch so ein schreckliches Erlebnis, diesen Film anzuschauen. Nur gut, dass man noch keine Möglichkeit erfunden hatte, auch Gerüche im Film wiederzugeben; das Übelste musste der Gestank sein, der Gestank der niederträchtigsten Tat in der Geschichte der Menschheit.
    Der Film endete, und Ben erklärte seinen Schülern: »Insgesamt haben die Nazis über zehn Millionen Männer, Frauen und Kinder in ihren Vernichtungslagern umgebracht.«
    Ein Schüler, der dicht bei der Tür saß, schaltete das Licht ein. Als der Lehrer sich im Klassenraum umsah, erkannte er deutlich, dass die meisten Schüler tief betroffen waren. Ben hatte sie nicht schockieren wollen, doch es war ihm klar gewesen, dass dieser Film es tun würde.
    Die meisten der Schüler waren in der kleinen Vorstadtgemeinde aufgewachsen, die sich ruhig und friedlich um die Gordon High School ausbreitete. Sie entstammten gesunden Mittelstandsfamilien, und trotz der Fülle von Grausamkeiten, mit denen sie durch die Massenmedien überschüttet wurden, waren sie überraschend naiv. Selbst jetzt wollten einige Schüler wieder mit ihren üblichen oberflächlichen Spielereien beginnen. Ihnen war der Filmwahrscheinlich nur wie einer der zahllosen Fernsehfilme vorgekommen, die man ständig sah. Robert Billings, der dicht beim Fenster saß, hatte den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt und schlief. Aber ganz vorn saß Amy Smith, und es sah so aus, als wischte sie sich gerade die Tränen aus den Augen. Auch Laurie Saunders sah ganz verstört aus.
    »Ich weiß, dass dieser Film viele von euch tief erregt hat«, sagte Ben. »Aber ich habe euch diesen Film heute gerade deswegen gezeigt, weil ich euer Gefühl ansprechen wollte. Ich möchte, dass ihr über das nachdenkt, was ihr gesehen habt und was ich euch erzählt habe. Hat noch jemand Fragen?«
    Amy Smith hob sofort die Hand.
    »Ja, Amy?«
    »Waren alle Deutschen Nazis?«, fragte sie.
    Ben schüttelte den Kopf. »Nein. Beispielsweise gehörten weniger als zehn Prozent zur Nazipartei.«
    »Warum hat dann keiner versucht, die Nazis an dem zu hindern, was sie taten?«
    »Das weiß ich nicht genau, Amy. Ich kann nur vermuten, dass sie Angst hatten. Die Nazis waren vielleicht eine Minderheit, aber sie waren eine gut organisierte, bewaffnete und gefährliche Minderheit. Man darf nicht vergessen, dass die übrige Bevölkerung unorganisiert, unbewaffnet und verängstigt war. Alle hatten sie die Inflationszeit erlebt, die ihr Land förmlich ruiniert hatte. Vielleicht hofften manche, die Nazis könnten wieder Ordnung in die Gesellschaft bringen. Jedenfalls haben die meisten Deutschen nach demKrieg

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