Einfach mal die Schnauze halten! - Rick ; Bd.3
Das war's dann, dachte ich. Mit bangem Blick schaute
ich zu Finn herüber, der blass, klein und dürr vor unserem
Trainer auf der Sportmatte stand. Und nicht nur ich – alle,
wirklich ALLE aus dem Wing-Tsun -Kurs taten dasselbe. Sie starrten Finn an und warteten gespannt darauf, was
gleich passieren würde.
Finns Kopf versank zwischen den Schultern und seine
Ohren fingen an zu glühen. Ein echt außerirdischer Anblick:
zwei abstehende Feuergriffel zu kalkweißem Gesicht.
Brrrr … wirklich schockgruselig.
Warum? Ich meine, WARUM musste unser Trainer ausgerechnet
Finn auswählen? Er hätte jeden von uns nehmen
können. JEDEN! Oder noch besser: MICH! Und dann auch
noch in der allerersten Trainingsstunde! Verdammt, ich
wollte gar nicht hinsehen …
»Finn, folgende Situation: Du stehst auf dem Schulhof
und ein wesentlich kräftigerer Typ kommt auf dich zu«,
sagte Tobi.
Finn nickte.
Klar doch, jeder war kräftiger als Finn.
»Also, der Typ pöbelt dich an. Er packt deine Unterarme
und will dich in den Schwitzkasten nehmen. Wie reagierst
du?«
Blöde Frage, wie soll Finn schon reagieren?, dachte ich.
Mit Heulen, Jammern und Um-sein-Leben-Flehen natürlich!
Was sollte mein blassbackiger Beinahe-Bruder auch
sonst tun?!
Unser Trainer Tobi umfasste Finns Unterarme mit gestähltem
Schraubstockgriff und schaute ihn grimmig an.
So grimmig wie ein echt fieser, hässlicher, bösartiger Riesentroll.
»Ich verabscheue Gewalt«, erklärte Finn mit sanfter
Chorjungenstimme. »Aber wenn Worte zu nichts mehr führen
…« Er seufzte tief.
Dann ging auf einmal alles ganz schnell. Praktisch wie
von Geisterhand. Zack-Rumms! Und schon lag er am Boden.
Aber nicht Finn, sondern Tobi!
Flach wie 'ne Flunder. Der Länge nach. Voll umgehauen.
Von Finn!
Ich traute meinen Augen nicht. Tobi offensichtlich auch
nicht. Leicht verwirrt rappelte er sich wieder hoch und
schaute Finn an. Diesmal eher Marke Schmusekätzchen,
dem man einen Leckerbissen vor die Schnauze hält.
»Jepp, das war spitze«, krächzte er hörbar beeindruckt.
»Woher kennst du diesen Griff?«
»Ähm …«, hüstelte Finn neunmalklug herum, während
sich in mir eine böse Vorahnung breitmachte. »Ich habe vor
Kurzem ein äußerst interessantes Buch über die Kunst des
Wing Tsun gelesen.«
»Echt? Du kennst diesen Griff aus einem Buch?«, rief
Tobi.
Die anderen aus unserem Kurs brachen in lautes Gelächter
aus. Und ich konnte es ihnen noch nicht einmal verdenken.
Ich hätte nämlich auch gelacht, wenn es nicht so
friedhofstraurig gewesen wäre.
»Hey, was gibt's da zu lachen?«, motzte Tobi uns an. »Wer
sich traut, kann ja gerne mal gegen Finn antreten.«
Oh bitte, nur das nicht! Mir war natürlich sonnenklar,
dass das gerade alles nur Show gewesen war. Aber wenn
jetzt einer der anderen Jungs Finn mit lockerem Fliegengriff
auf die Matte schickte, dann schnallten die doch sofort,
dass Tobi eben nur so getan hatte, als ob der dürre
Finn über galaktische Yoda-Kräfte verfügte. Und auf wen
würde der Riesenbeschiss zurückfallen? Natürlich auf
mich! Schließlich wussten die ganz genau, dass ich Finn
hier angeschleppt hatte.
Hektisch warf ich einen Blick auf die Wanduhr. Noch
zwanzig Minuten. Zwanzig winzig kleine Minütchen. Die
mussten doch irgendwie zu überstehen sein.
»Okay, ich mach's!«, rief ich, ohne lange zu überlegen.
Tobi nickte anerkennend. »Respekt«, meinte er.
Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Dann stand ich
auch schon Finn gegenüber und hatte seine knöchrigen
Handgelenke umfasst.
»WU-HA!«, machte ich und tat so, als ob ich mich wahnsinnig
anstrengte. Dabei verzog ich gespielt beeindruckt
das Gesicht. Wir rangelten zwei-, dreimal hin und her.
Alle Achtung, der Hungerhaken ist doch kräftiger, als ich
dachte!, schoss es mir durch den Kopf. Zeit, dem Schauspiel
ein Ende zu bereiten.
Schon wollte ich Finn mit einer lockeren Schulterwurftechnik
den Boden küssen lassen. Doch mit einem Mal verfügte
der Zwerg tatsächlich über mächtige Jedi-Meister-Kräfte oder so was Ähnliches. Jedenfalls bekam ich ihn
einfach nicht auf die Matte und das machte mich langsam,
aber sicher echt … ARRRGH!
Reiß dich zusammen, Rick. Denk daran, was du Pa und
Linda hoch und heilig versprochen hast: Mit Finnilein
wird weder gestritten noch wird ihm wehgetan.
Aber hier ging es um mehr. Hier ging es um meine Ehre!
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die anderen aus der
Gruppe schon miteinander zu tuscheln begannen. In meiner
Verzweiflung fing ich an,
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