Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier
Wurm!
Jolly und Buenaventure wechselten Blicke, und beide spürten dieselbe Erleichterung. Die anderen mochten den Wurm noch immer nicht recht zu schätzen wissen, vielleicht nicht einmal daran glauben, dass wirklich er für die Schäden an der Flotte verantwortlich war. Doch Jolly und der Pitbullmann waren sich einig. Jetzt würde sie nichts mehr daran hindern, den kleinen Kerl zu retten - sie würden allerhöchstens warten, bis er ein paar Schiffe mehr auf den Grund des Sees befördert hatte.
Und während Jolly sich noch in ihrem Hochgefühl erging, sagte der Geisterhändler plötzlich: »Es wird nicht reichen.«
Jolly blickte zu ihm auf. »Was?«
Er schüttelte den verhüllten Kopf. »Da draußen liegen mindestens zweihundert Schiffe. In wie viele Rümpfe wird er Löcher fressen können, ehe sie ihn fangen? In sieben, acht? Vielleicht in ein Dutzend. Und einen Teil der Schiffe werden sie sogar retten können, wenn sie die Lecks schnell genug abdichten. Die Flotte selbst wird dadurch kaum geschwächt, Tyrone wird seinen Plan nicht ändern müssen.«
Die Wege zwischen den Hütten und Holzhäusern waren voller Männer. Viele waren Eingeborene mit spitz gefeilten Zähnen wie Tyrone, aber die meisten steckten in europäischer Kleidung und waren offenbar von Tyrones Untergebenen zu Seeleuten ausgebildet worden. Er bemannte seine Schiffe also nicht nur mit Spaniern und dem Abschaum der Alten Welt, sondern auch mit Kannibalen. Jolly schauderte bei dem Gedanken, wie lange Tyrone dieses Komplott schon geplant haben musste. Viele Jahre, das war gewiss. Und kein Pirat hatte davon gewusst.
Keiner außer Kenndrick, dem Piratenkaiser selbst. Oder war auch er in eine Falle getappt? Glaubte er wirklich, der Angriff auf Caracas sei ein Erfolg versprechendes Unterfangen? Es war beinahe zu befürchten. Kenndrick war ein ausgemachter Dummkopf, wenn er einer Bestie wie Tyrone vertraute.
Die Gefährten erreichten das Ufer des Sees und machten sich eilig daran, ihn in südlicher Richtung zu umrunden. Wenn sie über die Schulter blickten, an den Felsen hinauf, sahen sie die Festung des Kannibalenkönigs über der Landschaft thronen. Es war ein schmuckloser Bau, ähnlich wie die Verteidigungsanlagen, die die Spanier auf vielen Karibikinseln errichtet hatten: hohe sandsteinfarbene Mauern, auf deren langen Wehrgängen Platz für zahlreiche Geschütze war; keine Türme, sondern niedrige Gebäude, die durch die Zinnen vor Kanonenschüssen vom Wasser aus geschützt waren; außerdem wenige Zugänge, wahrscheinlich nur ein Haupttor, das durch einen Graben und eine Zugbrücke gesichert war.
Tyrone hatte von seinen spanischen Verbündeten mehr erhalten als nur Hilfe beim Bau seiner Schiffe - sie hatten ihm auf diesem Felsen am Ende der Welt eine Festung errichtet, die es an Stärke und Verteidigungskraft mit einem Gouverneurspalast aufnehmen konnte.
Allmählich dämmerte Jolly, dass Tyrone weit mehr war als ein wahnsinniger Despot, der die Eingeborenenstämme des Dschungels unter seinen Befehl gezwungen hatte. Genauso gut verstand er es, Einfluss auf die Statthalter der Alten Welt auszuüben.
Die Freunde hatten die Stelle, an der die sinkenden Schiffe vor Anker lagen, fast erreicht. Arbeiter und Seeleute liefen aufgebracht umher. Aufseher versuchten verzweifelt, Ordnung in das Chaos zu bringen. Überall wurden Befehle gebrüllt und Anweisungen gegeben. Männer mit Messern zwischen den Zähnen sprangen ins Wasser, um nach dem Übeltäter zu suchen. Allen war rasch klar geworden, dass es sich um jemanden handeln musste, der von einem Rumpf zum nächsten tauchte und sich im Labyrinth der engen Wasserwege zwischen den Schiffen verbarg.
Flüche erschollen aus dutzenden von Kehlen, manche auf Englisch, Spanisch oder Französisch, andere in Sprachen, die keiner von ihnen verstand. Der Lärm war ohrenbetäubend. Eines der Schiffe neigte sich nach Backbord und rammte seine Masten in die Takelage einer benachbarten Fregatte. Rahen splitterten, Taue zerrissen. Männer, die sich an Deck der sinkenden Schiffe befanden, sprangen schreiend über Bord und kamen jenen in die Quere, die im Wasser bereits nach den Saboteuren fahndeten. Bald war es dort unten so überfüllt, dass jeder Versuch, die Übeltäter zu fassen, unweigerlich zum Scheitern verurteilt war.
Jolly schöpfte neue Hoffnung für den Hexhermetischen Holzwurm. Falls er nicht ertrank, war es inzwischen höchst unwahrscheinlich, dass ihm irgendetwas zustieß. Keiner rechnete damit, dass ein
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