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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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anderen - Griffins Verschwinden, Munks Ehrgeiz und der Furcht vor dem ungeheuerlichen Strudel, der all das Böse nach Aelenium und über die Karibik brachte - war es gerade das, was Jolly am meisten beschäftigte: die Tatsache, dass Menschen sterben würden, um sie und Munk zu unterstützen. Weil alle ihre Hoffnungen in sie setzten.
    »Ich habe so viel Vertrauen nicht verdient«, flüsterte sie niedergeschlagen. »Sie müssen das doch wissen, oder? Dass ich sie sicher enttäuschen werde.«
    Sie war einfach noch nicht bereit. Würde es vielleicht niemals sein. Aber das spielte längst keine Rolle mehr. Ihr Aufbruch war beschlossene Sache.
    Sie hatte sich gewehrt, sich dagegen aufgelehnt - alles vergeblich.
    Der Schorfenschrund erwartete sie.
    Ihr Schicksal.
    Jolly erhob sich, warf dem Kokon im Herzen des Gespinsts eine Kusshand zu und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Die Rochen sind zum Aufbruch bereit«, sagte sie.
    »Hauptmann D’Artois wird uns zum Mahlstrom führen. Der Geisterhändler begleitet uns.« Sie lächelte müde. »Und Soledad. Du kennst sie - sie hat einfach darauf bestanden, so weit wie möglich mitzukommen. Keiner traut sich, ihr zu widersprechen.«
    Sie gab sich einen Ruck. »Leb wohl«, sagte sie traurig. »Als was auch immer, wenn du aus diesem Ding schlüpfst - leb wohl!«
    Damit drehte sie sich um, verließ die Kuppelkammer und stieg langsam die engen Stufen hinunter. Der Wächter an der Tür beobachtete sie mit großen Augen, als er erkannte, dass sie weinte. Aber er sprach sie nicht an, und dafür war sie dankbar.
    »Der Wal wird angegriffen!«
    Griffin schrak auf. Er ließ den Hammer sinken, mit dem er gerade erst zum Schlag ausgeholt hatte, und löste den Blick von dem groben Holzstuhl, der vor ihm auf dem Boden lag. Der achtundzwanzigste, er hatte mitgezählt. Achtundzwanzig Stühle für Ebenezers Schwimmende Schenke - den ersten Gasthof im Inneren eines Riesenwals.
    »Harpunen, Griffin! Sie attackieren Jasconius mit Harpunen!«
    »Wer?«
    »Wer, wer… Klabauter, natürlich!« Der ehemalige Mönch war mit fuchtelnden Armen hinter ihm in der Tür erschienen.
    Griffin hatte geglaubt, dem sicheren Tod ins Auge zu blicken, als er vor Tagen von dem gigantischen Tier verschluckt worden war. Doch erstaunlicherweise war er quicklebendig im Magen des Wals gelandet und dort von Ebenezer aufgelesen worden.
    Der Mönch musste in den langen Jahren des Alleinseins hier unten verrückt geworden sein, davon war Griffin überzeugt. Sein Plan, eine Gaststätte im Magen des Ungetüms zu eröffnen, war der beste Beweis dafür. Nur wegen dieses irrsinnigen Vorhabens verbrachte Griffin seine Zeit hier unten damit, Stühle und Tische zu zimmern. Bevor er nicht mit seiner Arbeit fertig war, hatte Ebenezer gedroht, würden sie kein Land anlaufen.
    »Harpunen, Griffin!«, wiederholte der Mönch aufgeregt. »Die Klabauter haben Harpunen.«
    Aufgebracht lief er in dem holzgetäfelten Zimmer auf und ab. Draußen vor der offenen Tür erstreckte sich die dunkle Magenhöhle des Riesentiers. Hier drinnen aber, jenseits des magischen Durchgangs, herrschte die Atmosphäre eines gediegenen Landhauszimmers: sehr gemütlich, sehr bequem, sehr komfortabel.
    »Wie viele Klabauter sind es?«, fragte Griffin.
    »Woher soll ich das wissen? Schon mal von einem Wal gehört, der zählen kann?«
    Griffin machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch in dem Moment erfüllte ein ohrenbetäubender Lärm die dunkle Grotte des Walmagens. Etwas schoss auf die offene Tür zu wie eine Wand aus Schatten, begleitet von einem Tosen und Toben, als hätte jemand ein Loch in den Rumpf des Wals gerissen.
    »Flut!«, brüllte Griffin, und dann stürzten sie beide auch schon vorwärts, warfen sich gegen die Tür und stemmten sich gemeinsam mit aller Kraft dagegen.
    Die haushohe Welle krachte gegen die Außenseite und fegte den Mann und den Jungen mitsamt dem Türflügel beiseite. Wasser ergoss sich ins Innere des Zimmers, spülte über das Parkett, schleuderte Werkzeuge und fertige Stühle durcheinander und zerschlug einige von ihnen an den Wänden. Griffin und Ebenezer brüllten beide vor Schmerz auf, als sie mit Kopf und Rücken gegen Ecken und hölzerne Kanten stießen.
    Das Wasser zog sich ebenso schnell zurück, wie es gekommen war. Eine zweite Flutwelle blieb aus. In Windeseile begann die Nässe in den Ritzen des Bodens zu versickern. Als Griffin sich stöhnend hochrappelte, lag nur noch ein feuchter Film über allem - aber er reichte

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