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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hättest uns wenigstens warnen können, dass so was passieren würde. Ich meine, keiner von uns weiß besonders viel über Hexhermetische Holzwürmer.« Sie seufzte und streckte vorsichtig eine Hand aus, um die vorderen Fäden des Gespinsts zu berühren. Die Oberfläche wellte sich wie ein Vorhang. Es war, als hätte ein Lufthauch ihre Fingerkuppe gestreift.
    »Ich bin hergekommen, um Lebewohl zu sagen.«
    Sie zog die Hand zurück und hakte den Daumen linkisch hinter ihren Gürtel. »Munk und ich, wir werden aufbrechen. Zum Schorfenschrund. Alle hier in Aelenium hoffen, dass wir es schaffen, die Quelle des Mahlstroms zu versiegeln: die Edelleute, Hauptmann D’Artois, der Geisterhändler, Urvater. Wir selbst natürlich auch. Und, ich weiß nicht… Munk ist wirklich gut mit der Muschelmagie. Vielleicht bekommt er es tatsächlich hin.« Sie machte eine kurze Pause, dann fuhr sie fort. »Ich selbst bin noch nicht so weit, auch wenn keiner das wahrhaben will. Jedenfalls sagt es mir niemand ins Gesicht. Ich bin nicht mal halb so geschickt mit den Muscheln wie Munk. Er… na, du kennst ihn ja. Er ist so ehrgeizig. Wie besessen. Und immer noch ist er wütend auf mich - weil ich auf der Carfax die Muschelmagie gegen ihn gerichtet habe. Aber hat er mir denn eine Wahl gelassen?«
    Sie begann, vor dem Gespinst auf und ab zu gehen. Sie hätte dieses Gespräch lieber mit jemandem geführt, der ihr einen Rat geben konnte. Aber auch wenn die Gefährten hier in Aelenium an ihrer Seite waren - die Piratenprinzessin Soledad, Kapitän Walker und sein bester Freund Buenaventure, der Hüne mit dem Hundegesicht -, keiner von ihnen konnte sich wirklich in ihre Lage versetzen.
    Außer vielleicht Griffin. Aber Griffin war verschwunden. Sein Seepferd war allein nach Aelenium zurückgekehrt. Bei dem Gedanken an ihn spürte Jolly, dass ihre Knie weich wurden. Ehe sie nachgeben konnten, ließ sie sich ein wenig unbeholfen im Schneidersitz auf dem Boden nieder. Es war zu spät, um die Tränen zurückzuhalten, die über ihre Wangen liefen.
    »Keiner kann mir sagen, was aus Griffin geworden ist. Alle behaupten, er ist tot. Aber das kann nicht sein. Griffin darf nicht tot sein. Das sagt man so, oder? Ich meine, darf … Ziemlicher Unsinn, was? Als gäbe es für so was irgendwelche Regeln und Gesetze.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube ganz fest daran, dass er noch lebt.«
    Der Kokon im Herzen des Gewebes pulsierte ungerührt weiter. Bei jeder schwachen Ausdehnung, jedem Zusammenziehen lief eine Welle wie ein tiefer Atemzug durch die Seide.
    »Was wird aus dir, wenn du aus diesem Zeug rauskommst?«, fragte sie. »Weißt du selbst das überhaupt? Wie steht es jetzt um die Weisheit der Würmer?«
    Sie bemerkte, dass sie beim Sprechen die Finger um ihre Knie gekrallt hatte, so fest, dass es wehtat. Erschrocken ließ sie los.
    »Urvater und der Geisterhändler tuscheln von morgens bis abends miteinander. Sie sagen, der Angriff auf Aelenium steht bevor. Und heute Morgen haben sie sich entschieden.«
    Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Wir brechen auf«, sagte sie erschöpft. »Die Übungen sind abgeschlossen. Ich glaube, Munk und ich können nicht mal die Hälfte von dem, was wir können sollten. Aber es ist keine Zeit mehr. Spätestens in zwei oder drei Tagen ist Tyrones Flotte hier, und die Tiefen Stämme werden wohl gleichzeitig angreifen oder sogar noch früher. Keiner weiß, wie lange die Soldaten Aelenium halten können. Vielleicht ein paar Tage. Vielleicht nur ein paar Stunden.«
    Wieder verging eine ganze Weile, in der sie kein Wort sagte und nachdenklich vor sich auf den Dielenboden starrte. Sie malte sich aus, was passieren würde, wenn die Diener des Mahlstroms die Stadt erreichten. Der riesige Strudel, der am Horizont auf offener See tobte, hatte die Klabauter unter seine Herrschaft gebracht. Tausende von ihnen zogen in Heerschwärmen auf Aelenium zu. Und auch der gefürchtete Kannibalenkönig Tyrone mit seiner Flotte würde auf der Seite des Mahlstroms kämpfen.
    Früher oder später würde Aelenium sich geschlagen geben müssen. Erst recht, falls es Munk und ihr nicht gelang, den Mahlstrom zu besiegen. Doch genau dazu sollte ihnen der Kampf um die Seesternstadt die nötige Zeit verschaffen. Dutzende, vielleicht hunderte würden ihr Leben lassen, um kostbare Stunden und Minuten für die beiden Quappen herauszuschinden, die tief am Meeresgrund versuchten, den Mahlstrom in seine Muschel einzusperren.
    Und neben allem

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