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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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übergehn: was nenne ich den Gegenstand , den ich von der Vorstellung unterscheide? was ist Daseyn? was Objekt? was Subjekt? was Wahrheit, Schein, Irrthum? – Aber er verfolgt, ohne sich zu besinnen oder umzusehn, sein logisches Schema und seine Symmetrie. Die Tafel der Urtheile soll und muß der Schlüssel zu aller Weisheit seyn.

    Ich habe es oben als das Hauptverdienst Kants aufgestellt, daß er die Erscheinung vom Dinge an sich unterschied, diese ganze sichtbare Welt für Erscheinung erklärte und daher den Gesetzen derselben alle Gültigkeit über die Erscheinung hinaus absprach. Es ist allerdings auffallend, daß er jene bloß relative Existenz der Erscheinung nicht aus der einfachen, so nahe liegenden, unleugbaren Wahrheit » Kein Objekt ohne Subjekt « ableitete, um so, schon an der Wurzel, das Objekt, weil es durchaus immer nur in Beziehung auf ein Subjekt daist, als von diesem abhängig, durch dieses bedingt und daher als bloße Erscheinung, die nicht an sich, nicht unbedingt existirt, darzustellen. Jenen wichtigen Satz hatte bereits Berkeley, gegen dessen Verdienst Kant nicht gerecht ist, zum Grundstein seiner Philosophie gemacht und dadurch sich ein unsterbliches Andenken gestiftet, obwohl er selbst nicht die gehörigen Folgerungen aus jenem Satze zog und sodann theils nicht verstanden, theils nicht genugsam beachtet wurde. Ich hatte, in meiner ersten Auflage, Kants Umgehn dieses Berkeleyschen Satzes aus einer sichtbaren Scheu vor dem entschiedenen Idealismus erklärt; während ich diesen andererseits in vielen Stellen der »Kritik der reinen Vernunft« deutlich ausgesprochen fand; und hatte demnach Kanten des Widerspruchs mit sich selbst geziehn. Auch war dieser Vorwurf gegründet, sofern man, wie es damals mein Fall war, die »Kritik der reinen Vernunft« bloß in der zweiten, oder den nach ihr abgedruckten fünf folgenden Auflagen kennt. Als ich nun aber später Kants Hauptwerk in der bereits selten gewordenen ersten Auflage las, sah ich, zu meiner großen Freude, alle jene Widersprüche verschwinden, und fand, daß Kant, wenn er gleich nicht die Formel »kein Objekt ohne Subjekt« gebraucht, doch, mit eben der Entschiedenheit wie Berkeley und ich, die in Raum und Zeit vorliegende Außenwelt für bloße Vorstellung des sie erkennenden Subjekts erklärt; daher er z.B. S. 383 daselbst ohne Rückhalt sagt: »Wenn ich das denkende Subjekt wegnehme, muß die ganze Körperwelt wegfallen, als die nichts ist, als die Erscheinung in der Sinnlichkeit unsers Subjekts und eine Art Vorstellungen desselben.« Aber die ganze Stelle von S. 348-392, in welcher Kant seinen entschiedenen Idealismus überaus schön und deutlich darlegt, wurde von ihm in der zweiten Auflage supprimirt und dagegen eine Menge ihr widerstreitender Aeußerungen hineingebracht. Dadurch ist denn der Text der »Kritik der reinen Vernunft«, wie er vom Jahr 1787 an bis zum Jahr 1838 cirkulirt hat, ein verunstalteter und verdorbener geworden, und dieselbe ein sich selbst widersprechendes Buch geworden, dessen Sinn eben deshalb Niemanden ganz klar und verständlich seyn konnte. Das Nähere hierüber, wie auch meine Vermuthungen über die Gründe und Schwächen, welche Kanten zu einer solchen Verunstaltung seines unsterblichen Werkes haben bewegen können, habe ich dargelegt in einem Briefe an Herrn Professor Rosenkranz, dessen Hauptstelle derselbe in seine Vorrede zum zweiten Bande der von ihm besorgten Ausgabe der sämmtlichen Werke Kants aufgenommen hat, wohin ich also hier verweise. In Folge meiner Vorstellungen nämlich hat im Jahre 1838 Herr Professor Rosenkranz sich bewegen gefunden, die »Kritik der reinen Vernunft« in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder herzustellen, indem er sie, in besagtem zweiten Bande, nach der ersten Auflage von 1781 abdrucken ließ, wodurch er sich um die Philosophie ein unschätzbares Verdienst erworben, ja das wichtigste Werk der Deutschen Litteratur vielleicht vom Untergange gerettet hat; und dies soll man ihm nie vergessen. Aber Keiner bilde sich ein, die »Kritik der reinen Vernunft« zu kennen und einen deutlichen Begriff von Kants Lehre zu haben, wenn er jene nur in der zweiten, oder einer der folgenden Auflagen gelesen hat; das ist schlechterdings unmöglich: denn er hat nur einen verstümmelten, verdorbenen, gewissermaaßen unächten Text gelesen. Es ist meine Pflicht, Dies hier entschieden und zu Jedermanns Warnung auszusprechen.
    Mit der in der ersten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« so

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