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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Begriffen a priori hervorgeht, ein Princip. Auf diese willkürliche und unstatthafte Unterscheidung werden wir nachher bei der Dialektik zurückkommen. S. 330; v, 386, ist die Vernunft das Vermögen zu schließen: das bloße Urtheilen erklärt er öfter (S. 69, v, 94) für das Geschäft des Verstandes. Damit sagt er nun aber eigentlich: Urtheilen ist das Geschäft des Verstandes, so lange der Grund des Urtheils empirisch, transscendental, oder metalogisch ist (Abhandlung über den Satz vom Grund, § 31, 32, 33); ist er aber logisch, als worin der Schluß besteht, so agirt hier ein ganz besonderes, viel vorzüglicheres Erkenntnißvermögen, die Vernunft. Ja, was noch mehr ist, S. 303; v, 360 wird auseinandergesetzt, daß die unmittelbaren Folgerungen aus einem Satze noch Sache des Verstandes wären, und nur die, wo ein vermittelnder Begriff gebraucht wird, von der Vernunft verrichtet würden; und als Beispiel wird angeführt aus dem Satz: »Alle Menschen sind sterblich«, sei die Folgerung: »Einige Sterbliche sind Menschen« noch durch den bloßen Verstand gezogen; hingegen diese: »Alle Gelehrte sind sterblich« erfordere ein ganz anderes und viel vorzüglicheres Vermögen, die Vernunft. Wie war es möglich, daß ein großer Denker so etwas vorbringen konnte! S. 553; v, 581, ist mit einem Male die Vernunft die beharrliche Bedingung aller willkürlichen Handlungen. S. 614; v, 642, besteht sie darin, daß wir von unsern Behauptungen Rechenschaft geben können: S. 643, 644; v, 671, 672, darin, daß sie die Begriffe des Verstandes zu Ideen vereinigt, wie der Verstand das Mannigfaltige der Objekte zu Begriffen. S. 646; v, 674, ist sie nichts Anderes, als das Vermögen das Besondere aus dem Allgemeinen abzuleiten.
    Der Verstand wird ebenfalls immer wieder von Neuem erklärt: an sieben Stellen der »Kritik der reinen Vernunft«, S. 51; v, 75, ist er das Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen. S. 60; v, 94, das Vermögen zu urtheilen, d.h. zu denken, d.h. durch Begriffe zu erkennen. S. 137, fünfte Auflage, im Allgemeinen das Vermögen der Erkenntnisse. S. 132; v, 171, das Vermögen der Regeln. S. 158; v, 197, aber wird gesagt: »Er ist nicht nur das Vermögen der Regeln, sondern der Quell der Grundsätze, nach welchem alles unter Regeln steht«; und dennoch ward er oben der Vernunft entgegengesetzt, weil diese allein das Vermögen der Principien wäre. S, 160; v, 199, ist der Verstand das Vermögen der Begriffe: S. 302; v, 359, aber das Vermögen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln.
    Die von mir aufgestellten, festen, scharfen, bestimmten, einfachen und mit dem Sprachgebrauch aller Völker und Zeiten stets übereinkommenden Erklärungen jener zwei Erkenntnißvermögen werde ich nicht nöthig haben gegen solche (obwohl sie von Kant ausgehn) wahrhaft konfuse und grundlose Reden darüber zu vertheidigen. Ich habe diese nur angeführt als Belege meines Vorwurfs, daß Kant sein symmetrisches, logisches System verfolgt, ohne sich über den Gegenstand, den er so behandelt, genugsam zu besinnen.
    Hätte nun Kant, wie ich oben sagte, ernstlich untersucht, inwiefern zwei solche verschiedene Erkenntnißvermögen, davon eines das Unterscheidende der Menschheit ist, sich zu erkennen geben, und was, gemäß dem Sprachgebrauch aller Völker und aller Philosophen, Vernunft und Verstand heiße; so hätte er auch nie, ohne weitere Auktorität, als den in ganz anderm Sinne gebrauchten intellectus theoreticus und practicus der Scholastiker, die Vernunft in eine theoretische und praktische zerfällt, und letztere zur Quelle des tugendhaften Handelns gemacht. Eben so, bevor Kant Verstandesbegriffe (worunter er theils seine Kategorien, theils alle Gemeinbegriffe versteht) und Vernunftbegriffe (seine sogenannten Ideen) so sorgfältig sonderte und beide zum Material seiner Philosophie machte, die größtentheils nur von der Gültigkeit, Anwendung, Ursprung aller dieser Begriffe handelt; – zuvor, sage ich, hätte er doch wahrlich untersuchen sollen, was denn überhaupt ein Begriff sei. Allein auch diese so nothwendige Untersuchung ist leider ganz unterblieben; was viel beigetragen hat zu der heillosen Vermischung intuitiver und abstrakter Erkenntniß, die ich bald nachweisen werde. – Der selbe Mangel an hinlänglichem Besinnen, mit welchem er die Fragen übergieng: was ist Anschauung? was ist Reflexion? was Begriff? was Vernunft? was Verstand? – ließ ihn auch folgende eben so unumgänglich nöthige Untersuchungen

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