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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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nichtssagenden, bildlichen Ausdruck abgelehnt: »Die empirische Anschauung wird uns gegeben.« S. 145 der fünften Auflage erfahren wir noch, daß dieselbe durch das Objekt gegeben wird: mithin muß dieses etwas von der Anschauung Verschiedenes seyn.
    Wenn wir nun Kants Innerste, von ihm selbst nicht deutlich ausgesprochene Meinung zu erforschen uns bemühen; so finden wir, daß wirklich ein solches, von der Anschauung verschiedenes Objekt, das aber auch keineswegs ein Begriff ist, ihm der eigentliche Gegenstand für den Verstand ist, ja, daß die sonderbare Voraussetzung eines solchen unvorstellbaren Gegenstandes es eigentlich seyn soll, wodurch allererst die Anschauung zur Erfahrung wird. Ich glaube, daß ein altes, eingewurzeltes, aller Untersuchung abgestorbenes Vorurtheil in Kant der letzte Grund ist von der Annahme eines solchen absoluten Objekts , welches an sich, d.h. auch ohne Subjekt, Objekt ist. Es ist durchaus nicht das angeschaute Objekt , sondern es wird durch den Begriff zur Anschauung hinzugedacht, als etwas derselben Entsprechendes, und nunmehr ist die Anschauung Erfahrung und hat Werth und Wahrheit, die sie folglich erst durch die Beziehung auf einen Begriff erhält (im diametralen Gegensatz gegen unsere Darstellung, nach welcher der Begriff allein von der Anschauung Werth und Wahrheit erhält). Das Hinzudenken dieses direkt nicht vorstellbaren Objekts zur Anschauung ist dann die eigentliche Funktion der Kategorien. »Nur durch Anschauung wird der Gegenstand gegeben, der hernach der Kategorie gemäß gedacht wird.« (Kritik der reinen Vernunft, erste Auflage, S. 399). Besonders deutlich wird dies aus einer Stelle, S. 125 der fünften Auflage: »Nun fragt es sich, ob nicht auch Begriffe a priori vorausgehn, als Bedingungen, unter denen allein etwas, wenn gleich nicht angeschaut , dennoch als Gegenstand überhaupt gedacht wird«, welches er bejaht. Hier zeigt sich deutlich die Quelle des Irrthums und der ihn umhüllenden Konfusion. Denn der Gegenstand als solcher ist allemal nur für die Anschauung und in ihr da: sie mag nun durch die Sinne, oder, bei seiner Abwesenheit, durch die Einbildungskraft vollzogen werden. Was hingegen gedacht wird, ist allemal ein allgemeiner, nicht anschaulicher Begriff , der allenfalls der Begriff von einem Gegenstande überhaupt seyn kann; aber nur mittelbar, mittelst der Begriffe, bezieht sich das Denken auf Gegenstände , als welche selbst allezeit anschaulich sind und bleiben. Denn unser Denken dient nicht dazu, den Anschauungen Realität zu verleihen: diese haben sie, soweit sie ihrer fähig sind (empirische Realität) durch sich selbst; sondern es dient, das Gemeinsame und die Resultate der Anschauungen zusammenzufassen, um sie aufbewahren und leichter handhaben zu können. Kant aber schreibt die Gegenstände selbst dem Denken zu, um dadurch die Erfahrung und die objektive Welt vom Verstande abhängig zu machen, ohne jedoch diesen ein Vermögen der Anschauung seyn zu lassen. In dieser Beziehung unterscheidet er allerdings das Anschauen vom Denken, macht aber die einzelnen Dinge zum Gegenstand theils der Anschauung, theils des Denkens. Wirklich aber sind sie nur Ersteres: unsere empirische Anschauung ist sofort objektiv ; eben weil sie vom Kausalnexus ausgeht. Ihr Gegenstand sind unmittelbar die Dinge, nicht von diesen verschiedene Vorstellungen. Die einzelnen Dinge werden als solche angeschaut im Verstande und durch die Sinne: der einseitige Eindruck auf diese wird dabei sofort durch die Einbildungskraft ergänzt. Sobald wir hingegen zum Denken übergehn, verlassen wir die einzelnen Dinge und haben es mit allgemeinen Begriffen ohne Anschaulichkeit zu thun; wenn wir gleich die Resultate unsers Denkens nachher auf die einzelnen Dinge anwenden. Wenn wir Dieses festhalten, so erhellt die Unzulässigkeit der Annahme, daß die Anschauung der Dinge erst durch das die zwölf Kategorien anwendende Denken eben dieser Dinge Realität erhalte und zur Erfahrung werde. Vielmehr ist in der Anschauung selbst schon die empirische Realität, mithin die Erfahrung, gegeben: allein die Anschauung kann auch nur zu Stande kommen mittelst Anwendung der Erkenntniß vom Kausalnexus, welche die einzige Funktion des Verstandes ist, auf die Sinnesempfindung. Die Anschauung ist demnach wirklich intellektual, was gerade Kant leugnet.
    Die hier kritisirte Annahme Kants findet man, außer der angeführten Stelle, auch noch vorzüglich deutlich ausgesprochen in der »Kritik der Urtheilskraft«, §

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