Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
Vom Netzwerk:
36, gleich Anfangs; desgleichen in den »Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft«, in der Anmerkung zur ersten Erklärung der »Phänomenologie«. Aber mit einer Naivetät, deren Kant bei diesem mißlichen Punkte sich am wenigsten getraute, findet man sie aufs Deutlichste dargelegt im Buche eines Kantianers, nämlich in Kiesewetters »Grundriß einer allgemeinen Logik«, dritte Auflage, Th. I, S. 434 der Auseinandersetzung, und Th. II, § 52 und 53 der Auseinandersetzung; desgleichen in Tieftrunks »Denklehre in rein Deutschem Gewande« (1825). Da zeigt sich so recht, wie jedem Denker seine nicht selbstdenkenden Schüler zum Vergrößerungsspiegel seiner Fehler werden. Kant ist bei dieser Darstellung seiner ein Mal beschlossenen Kategorienlehre durchgängig leise aufgetreten, die Schüler hingegen ganz dreist, wodurch sie das Falsche der Sache bloßlegen.
    Dem Gesagten zufolge ist bei Kant der Gegenstand der Kategorien zwar nicht das Ding an sich, aber doch dessen nächster Anverwandter: es ist das Objekt an sich , ist ein Objekt, das keines Subjekts bedarf, ist ein einzelnes Ding, und doch nicht In Zelt und Raum, weil nicht anschaulich, ist Gegenstand des Denkens, und doch nicht abstrakter Begriff. Demnach unterscheidet Kant eigentlich dreierlei: 1) die Vorstellung; 2) den Gegenstand der Vorstellung; 3) das Ding an sich. Erstere ist Sache der Sinnlichkeit, welche bei ihm, neben der Empfindung, auch die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit begreift. Das Zweite ist Sache des Verstandes, der es durch seine zwölf Kategorien hinzu denkt . Das Dritte liegt jenseit aller Erkennbarkeit. (Als Beleg hiezu sehe man S. 108 und 109 der ersten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft«.) Nun ist aber die Unterscheidung der Vorstellung und des Gegenstandes der Vorstellung ungegründet: dies hatte schon Berkeley bewiesen, und es geht hervor aus meiner ganzen Darstellung im ersten Buche, besonders Kapitel 1 der Ergänzungen, ja aus Kants eigener völlig idealistischer Grundansicht in der ersten Auflage. Wollte man aber nicht den Gegenstand der Vorstellung zur Vorstellung rechnen und mit ihr identificiren, so müßte man ihn zum Dinge an sich ziehn: dies hängt am Ende von dem Sinne ab, den man dem Worte Gegenstand beilegt. Immer aber steht Dies fest, daß, bei deutlicher Besinnung, nichts weiter zu finden ist, als Vorstellung und Ding an sich. Das unberechtigte Einschieben jenes Zwitters, Gegenstand der Vorstellung, ist die Quelle der Irrthümer Kants: mit dessen Wegnahme fällt aber auch die Lehre von den Kategorien als Begriffen a priori dahin; da sie zur Anschauung nichts beitragen und vom Dinge an sich nicht gelten sollen, sondern wir mittelst ihrer nur jene »Gegenstände der Vorstellungen« denken und dadurch die Vorstellung in Erfahrung umwandeln. Denn jede empirische Anschauung ist schon Erfahrung: empirisch aber ist jede Anschauung, welche von Sinnesempfindung ausgeht: diese Empfindung bezieht der Verstand, mittelst seiner alleinigen Funktion (Erkenntniß a priori des Kausalitätsgesetzes) auf ihre Ursache, welche eben dadurch in Raum und Zeit (Formen der reinen Anschauung) sich darstellt als Gegenstand der Erfahrung, materielles Objekt, im Raum durch alle Zeit beharrend, dennoch aber auch als solches immer noch Vorstellung bleibt, wie eben Raum und Zeit selbst. Wollen wir über diese Vorstellung hinaus, so stehn wir bei der Frage nach dem Ding an sich, welche zu beantworten das Thema meines ganzen Werkes, wie aller Metaphysik überhaupt ist. Mit dem hier dargelegten Irrthume Kants steht in Verbindung sein früher gerügter Fehler, daß er keine Theorie der Entstehung der empirischen Anschauung giebt, sondern diese ohne Weiteres gegeben seyn läßt, sie identificirend mit der bloßen Sinnesempfindung, der er nur noch die Anschauungsformen Raum und Zeit beigiebt, beide unter dem Namen Sinnlichkeit begreifend. Aber aus diesen Materialien entsteht noch keine objektive Vorstellung: vielmehr erfordert diese schlechterdings Beziehung der Empfindung auf ihre Ursache, also Anwendung des Kausalitätsgesetzes, also Verstand; da ohne Dieses die Empfindung immer noch subjektiv bleibt und kein Objekt in den Raum versetzt, auch wenn ihr dieser beigegeben ist. Aber bei Kant durfte der Verstand nicht zur Anschauung verwendet werden: er sollte bloß denken, um innerhalb der transscendentalen Logik zu bleiben. Hiemit hängt wieder ein anderer Fehler Kants zusammen: daß er für die richtig erkannte Apriorität des

Weitere Kostenlose Bücher