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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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langsamer, nämlich meistens erst im dritten Jahre, die Ausbildung der Vernunft, bis zur Sprache und dadurch zum Denken. Dennoch bleibt die frühe Kindheit unwiderruflich der Albernheit und Dummheit preisgegeben: zunächst weil dem Gehirn noch die physische Vollendung fehlt, welche es, sowohl seiner Größe als seiner Textur nach, erst im siebenten Jahre erreicht. Sodann aber ist zu seiner energischen Thätigkeit noch der Antagonismus des Genitalsystems erfordert; daher jene erst mit der Pubertät anfängt. Durch dieselbe aber hat alsdann der Intellekt erst die bloße Fähigkeit zu seiner psychischen Ausbildung erlangt: diese selbst kann allein durch Uebung, Erfahrung und Belehrung gewonnen werden. Sobald daher der Geist sich der kindischen Albernheit entwunden hat, geräth er in die Schlingen zahlloser Irrthümer, Vorurtheile, Chimären, mitunter von der absurdesten und krassesten Art, die er eigensinnig festhält, bis die Erfahrung sie ihm nach und nach entwindet, manche auch unvermerkt abhanden kommen: dieses Alles geschieht erst im Lauf vieler Jahre; so daß man ihm zwar die Mündigkeit bald nach dem zwanzigsten Jahre zugesteht, die vollkommene Reife jedoch erst ins vierzigste Jahr, das Schwabenalter, versetzt hat. Allein während diese psychische , auf Hülfe von außen beruhende Ausbildung noch im Wachsen ist, fängt die innere physische Energie des Gehirns bereits an wieder zu sinken. Diese nämlich hat, vermöge ihrer Abhängigkeit vom Blutandrang und der Einwirkung des Pulsschlages auf das Gehirn, und dadurch wieder vom Uebergewicht des arteriellen Systems über das venöse, wie auch von der frischen Zartheit der Gehirnfasern, zudem auch durch die Energie des Genitalsystems, ihren eigentlichen Kulminationspunkt um das dreißigste Jahr: schon nach dem fünfunddreißigsten wird eine leise Abnahme derselben merklich, die durch das allmälig herankommende Uebergewicht des venösen Systems über das arterielle, wie auch durch die immer fester und spröder werdende Konsistenz der Gehirnfasern, mehr und mehr eintritt und viel merklicher sein würde, wenn nicht andererseits die psychische Vervollkommnung, durch Uebung, Erfahrung, Zuwachs der Kenntnisse und erlangte Fertigkeit im Handhaben derselben, ihr entgegenwirkte; welcher Antagonismus glücklicherweise bis ins späte Alter fortdauert, indem mehr und mehr das Gehirn einem ausgespielten Instrumente zu vergleichen ist. Aber dennoch schreitet die Abnahme der ursprünglichen, ganz auf organischen Bedingungen beruhenden Energie des Intellekts zwar langsam, aber unaufhaltsam weiter: das Vermögen ursprünglicher Konception, die Phantasie, die Bildsamkeit, das Gedächtniß, werden merklich schwächer, und so geht es Schritt vor Schritt abwärts, bis hinab in das geschwätzige, gedächtnißlose, halb bewußtlose, endlich ganz kindische Alter.
    Der Wille hingegen wird von allem diesem Werden, Wechsel und Wandel nicht mitgetroffen, sondern ist, vom Anfang bis zum Ende, unveränderlich der selbe. Das Wollen braucht nicht, wie das Erkennen, erlernt zu werden, sondern geht sogleich vollkommen von Statten. Das Neugeborene bewegt sich ungestüm, tobt und schreit: es will auf das heftigste; obschon es noch nicht weiß, was es will. Denn das Medium der Motive, der Intellekt, ist noch ganz unentwickelt: der Wille ist über die Außenwelt, wo seine Gegenstände liegen, im Dunkeln, und tobt jetzt wie ein Gefangener gegen die Wände und Gitter seines Kerkers. Doch allmälig wird es Licht: alsbald geben die Grundzüge des allgemeinen menschlichen Wollens und zugleich die hier vorhandene individuelle Modifikation derselben sich kund. Der schon hervortretende Charakter zeigt sich zwar erst in schwachen und schwankenden Zügen, wegen der mangelhaften Dienstleistung des Intellekts, der ihm die Motive vorzuhalten hat; aber für den aufmerksamen Beobachter kündigt er bald seine vollständige Gegenwart an, und in Kurzem wird sie unverkennbar. Die Charakterzüge treten hervor, welche für das ganze Leben bleibend sind: die Hauptrichtungen des Willens, die leicht erregbaren Affekte, die vorherrschende Leidenschaft, sprechen sich aus. Daher verhalten die Vorfälle in der Schule sich zu denen des künftigen Lebenslaufes meistens wie das stumme Vorspiel, welches dem im Hamlet bei Hofe aufzuführenden Drama vorhergeht und dessen Inhalt pantomimisch verkündet, zu diesem selbst. Keineswegs aber lassen sich eben so aus den im Knaben sich zeigenden intellektuellen Fähigkeiten die künftigen

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