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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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haben sich schämt. Sogar der beschränkteste Verstand, wie auch die grotteske Häßlichkeit, werden, sobald die ungemeine Güte des Herzens sich in ihrer Begleitung kund gethan, gleichsam verklärt, umstrahlt von einer Schönheit höherer Art, indem jetzt aus ihnen eine Weisheit spricht, vor der jede andere verstummen muß. Denn die Güte des Herzens ist eine transscendente Eigenschaft, gehört einer über dieses Leben hinausreichenden Ordnung der Dinge an und ist mit jeder andern Vollkommenheit inkommensurabel. Wo sie in hohem Grade vorhanden ist, macht sie das Herz so groß, daß es die Welt umfaßt, so daß jetzt Alles in ihm, nichts mehr außerhalb liegt; da sie ja alle Wesen mit dem eigenen identificirt. Alsdann verleiht sie auch gegen Andre jene gränzenlose Nachsicht, die sonst Jeder nur sich selber widerfahren läßt. Ein solcher Mensch ist nicht fähig, sich zu erzürnen: sogar wenn etwan seine eigenen, intellektuellen oder körperlichen Fehler den boshaften Spott und Hohn Anderer hervorgerufen haben, wirft er, in seinem Herzen, nur sich selber vor, zu solchen Aeußerungen der Anlaß gewesen zu seyn, und fährt daher, ohne sich Zwang anzuthun, fort, Jene auf das liebreichste zu behandeln, zuversichtlich hoffend, daß sie von ihrem Irrthum hinsichtlich seiner zurückkommen und auch in ihm sich selber wiedererkennen werden. – Was ist dagegen Witz und Genie? was Bako von Verulam?
    Auf das selbe Ergebniß, welches wir hier aus der Betrachtung unserer Schätzung Anderer erhalten haben, führt auch die der Schätzung des eigenen Selbst. Wie ist doch die in moralischer Hinsicht eintretende Selbstzufriedenheit so grundverschieden von der in intellektualer Hinsicht! Die erstere entsteht, indem wir, beim Rückblick auf unsern Wandel, sehn, daß wir mit schweren Opfern Treue und Redlichkeit geübt, daß wir Manchem geholfen. Manchem verziehen haben, besser gegen Andere gewesen sind, als diese gegen uns, so daß wir mit König Lear sagen dürfen: »Ich bin ein Mann, gegen den mehr gesündigt worden, als er gesündigt hat«; und vollends wenn vielleicht gar irgend eine edle That in unserer Rückerinnerung glänzt! Ein tiefer Ernst wird die stille Freude begleiten, die eine solche Musterung uns giebt: und wenn wir dabei Andere gegen uns zurückstehn sehn; so wird uns dies in keinen Jubel versetzen, vielmehr werden wir es bedauern und werden aufrichtig wünschen, sie wären alle wie wir. – Wie ganz anders wirkt hingegen die Erkenntniß unserer intellektuellen Ueberlegenheit! Ihr Grundbaß ist ganz eigentlich der oben angeführte Ausspruch des Hobbes : Omnis animi voluptas, omnisque alacritas in eo sita est, quod quis habeat, quibuscum conferens se, possit magnifice sentire de se ipso. Uebermüthige, triumphirende Eitelkeit, stolzes, höhnisches Herabsehn auf Andere, wonnevoller Kitzel des Bewußtseins entschiedener und bedeutender Ueberlegenheit, dem Stolz auf körperliche Vorzüge verwandt, – das ist hier das Ergebniß. – Dieser Gegensatz zwischen beiden Arten der Selbstzufriedenheit zeigt an, daß die eine unser wahres, inneres und ewiges Wesen, die andere einen mehr äußerlichen, nur zeitlichen, ja fast nur körperlichen Vorzug betrifft. Ist doch in der That der Intellekt die bloße Funktion des Gehirns, der Wille hingegen Das, dessen Funktion der ganze Mensch, seinem Seyn und Wesen nach, ist.
    Erwägen wir, nach außen blickend, daß ho bios brachys, hê de technê makra (vita brevis, ars longa) , und betrachten, wie die größten und schönsten Geister, oft wann sie kaum den Gipfel ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben, imgleichen große Gelehrte, wann sie eben erst zu einer gründlichen Einsicht ihrer Wissenschaft gelangt sind, vom Tode hinweggerafft werden; so bestätigt uns auch Dieses, daß der Sinn und Zweck des Lebens kein intellektualer, sondern ein moralischer ist.
    Der durchgreifende Unterschied zwischen den geistigen und den moralischen Eigenschaften giebt sich endlich auch dadurch zu erkennen, daß der Intellekt höchst bedeutende Veränderungen durch die Zeit erleidet, während der Wille und Charakter von dieser unberührt bleibt. – Das Neugeborene hat noch gar keinen Gebrauch seines Verstandes, erlangt ihn jedoch, innerhalb der ersten zwei Monate, bis zur Anschauung und Apprehension der Dinge in der Außenwelt; welchen Vorgang ich in der Abhandlung »Ueber das Sehn und die Farben«, S. 10 der zweiten Auflage, näher dargelegt habe. Diesem ersten und wichtigsten Schritte folgt viel

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