Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Wesen an sich, sondern nur den objektiven Charakter der Dinge, also immer nur noch die Erscheinung: und selbst diesen Charakter würden wir nicht verstehn, wenn uns nicht das innere Wesen der Dinge, wenigstens undeutlich und im Gefühl, anderweitig bekannt wäre. Dieses Wesen selbst nämlich kann nicht aus den Ideen und überhaupt nicht durch irgend eine bloß objektive Erkenntniß verstanden werden; daher es ewig ein Geheimniß bleiben würde, wenn wir nicht von einer ganz andern Seite den Zugang dazu hätten. Nur sofern jedes Erkennende zugleich Individuum, und dadurch Theil der Natur ist, steht ihm der Zugang zum Innern der Natur offen, in seinem eigenen Selbstbewußtseyn, als wo dasselbe sich am unmittelbarsten und alsdann, wie wir gefunden haben, als Wille kund giebt.
Was nun, als bloß objektives Bild, bloße Gestalt, betrachtet und dadurch aus der Zeit, wie aus allen Relationen, herausgehoben, die Platonische Idee ist, das ist, empirisch genommen und in der Zeit, die Species , oder Art : diese ist also das empirische Korrelat der Idee. Die Idee ist eigentlich ewig, die Art aber von unendlicher Dauer; wenn gleich die Erscheinung derselben auf einem Planeten erlöschen kann. Auch die Benennungen Beider gehn in einander über: idea, eidos , species , Art. Die Idee ist species , aber nicht genus : darum sind die species das Werk der Natur, die genera das Werk des Menschen: sie sind nämlich bloße Begriffe. Es giebt species naturales , aber genera logica allein. Von Artefakten giebt es keine Ideen, sondern bloße Begriffe, also genera logica , und deren Unterarten sind species logicae. Zu dem in dieser Hinsicht, Bd. I, § 41, Gesagten, will ich noch hinzufügen, daß auch Aristoteles (Metaph., I, 9 & XIII, 5) aussagt, die Platoniker hätten von Artefakten keine Ideen gelten lassen, hoion oikia, kai daktylios, hôn ou phasin einai eidê (ut domus et annulus, quorum ideas dari negant) , S. 562, 63 der Berliner Quart-Ausgabe. – Ferner sagt Aristoteles , Metaph., XI, 3 : all' eiper ( supple eidê esti) epi tôn physei (esti); dio dê ou kakôs ho Platôn ephê, hoti eidê esti hoposa physei (si quidem ideae sunt, in iis sunt, quae natura fiunt: propter quod non male Plato dixit, quod species eorum sunt, quae natura sunt) : wozu der Scholiast S. 800 bemerkt: kai touto areskei kai autois tois tas ideas themenois; tôn gar hypo technês ginomenôn ideas einai ouk elegon, alla tôn hypo physeôs (hoc etiam ipsis ideas statuentibus placet: non enim arte factorum ideas dari ajebant, sed natura procreatorum) . Uebrigens ist die Lehre von den Ideen ursprünglich vom Pythagoras ausgegangen; wenn wir nämlich der Angabe Plutarchs im Buche de placitis philosophorum, L. I, c. 3 , nicht mißtrauen wollen.
Das Individuum wurzelt in der Gattung, und die Zeit in der Ewigkeit: und wie jegliches Individuum dies nur dadurch ist, daß es das Wesen seiner Gattung an sich hat; so hat es auch nur dadurch zeitliche Dauer, daß es zugleich in der Ewigkeit ist. Dem Leben der Gattung ist im folgenden Buche ein eigenes Kapitel gewidmet.
Den Unterschied zwischen der Idee und dem Begriff habe ich § 49 des ersten Bandes genugsam hervorgehoben. Ihre Aehnlichkeit hingegen beruht auf Folgendem. Die ursprüngliche und wesentliche Einheit einer Idee wird, durch die sinnlich und cerebral bedingte Anschauung des erkennenden Individuums, in die Vielheit der einzelnen Dinge zersplittert. Dann aber wird, durch die Reflexion der Vernunft, jene Einheit wieder hergestellt, jedoch nur in abstracto , als Begriff, universale , welcher zwar an Umfang der Idee gleichkommt, jedoch eine ganz andere Form angenommen, dadurch aber die Anschaulichkeit, und mit ihr die durchgängige Bestimmtheit, eingebüßt hat. In diesem Sinne (jedoch in keinem andern) könnte man, in der Sprache der Scholastiker, die Ideen als universalia ante rem , die Begriffe als universalia post rem bezeichnen: zwischen Beiden stehn die einzelnen Dinge, deren Erkenntniß auch das Thier hat. – Gewiß ist der Realismus der Scholastiker entstanden aus der Verwechselung der Platonischen Ideen, als welchen, da sie zugleich die Gattungen sind, allerdings ein objektives, reales Seyn beigelegt werden kann, mit den bloßen Begriffen, welchen nun die Realisten ein solches beilegen wollten und dadurch die siegreiche Opposition des Nominalismus hervorriefen.
Kapitel 30.Vom reinen Subjekt des Erkennens
Zur Auffassung einer Idee, zum Eintritt derselben in unser Bewußtseyn, kommt es nur mittelst einer
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