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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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austheilt; so strebt eben auch diese besondere Idee einer menschlichen Individualität mit der größten Gier und Heftigkeit nach ihrer Realisation in der Erscheinung. Diese Gier und Heftigkeit eben ist die Leidenschaft der beiden künftigen Eltern zu einander. Sie hat unzählige Grade, deren beide Extreme man immerhin als Aphroditê pandêmos und ourania bezeichnen mag: – dem Wesen nach ist sie jedoch überall die selbe. Hingegen dem Grade nach wird sie um so mächtiger seyn, je individualisirter sie ist, d.h. je mehr das geliebte Individuum, vermöge aller seiner Theile und Eigenschaften, ausschließlich geeignet ist, den Wunsch und das durch seine eigene Individualität festgestellte Bedürfniß des liebenden zu befriedigen. Worauf es nun aber hiebei ankommt, wird uns im weiteren Verfolge deutlich werden. Zunächst und wesentlich ist die verliebte Neigung gerichtet auf Gesundheit, Kraft und Schönheit, folglich auch auf Jugend; weil der Wille zuvörderst den Gattungscharakter der Menschenspecies, als die Basis aller Individualität, darzustellen verlangt: die alltägliche Liebelei ( Aphroditê pandêmos ) geht nicht viel weiter. Daran knüpfen sich sodann speciellere Anforderungen, die wir weiterhin im Einzelnen untersuchen werden, und mit denen, wo sie Befriedigung vor sich sehn, die Leidenschaft steigt. Die höchsten Grade dieser aber entspringen aus derjenigen Angemessenheit beider Individualitäten zu einander, vermöge welcher der Wille, d.i. der Charakter, des Vaters und der Intellekt der Mutter, in ihrer Verbindung, gerade dasjenige Individuum vollenden, nach welchem der Wille zum Leben überhaupt, welcher in der ganzen Gattung sich darstellt, eine dieser seiner Größe angemessene, daher das Maaß eines sterblichen Herzens übersteigende Sehnsucht empfindet, deren Motive eben so über den Bereich des individuellen Intellekts hinausliegen. Dies also ist die Seele einer eigentlichen, großen Leidenschaft. – Je vollkommener nun die gegenseitige Angemessenheit zweier Individuen zu einander, in jeder der so mannigfachen, weiterhin zu betrachtenden Rücksichten ist, desto stärker wird ihre gegenseitige Leidenschaft ausfallen. Da es nicht zwei ganz gleiche Individuen giebt, muß jedem bestimmten Mann ein bestimmtes Weib, – stets in Hinsicht auf das zu Erzeugende, – am vollkommensten entsprechen. So selten, wie der Zufall ihres Zusammentreffens, ist die eigentlich leidenschaftliche Liebe. Weil inzwischen die Möglichkeit einer solchen in Jedem vorhanden ist, sind uns die Darstellungen derselben in den Dichterwerken verständlich. – Eben weil die verliebte Leidenschaft sich eigentlich um das zu Erzeugende und dessen Eigenschaften dreht und hier ihr Kern liegt, kann zwischen zwei jungen und wohlgebildeten Leuten verschiedenen Geschlechts, vermöge der Uebereinstimmung ihrer Gesinnung, ihres Charakters, ihrer Geistesrichtung, Freundschaft bestehn, ohne daß Geschlechtsliebe sich einmischte; ja sogar kann in dieser Hinsicht eine gewisse Abneigung zwischen ihnen vorhanden seyn. Der Grund hievon ist darin zu suchen, daß ein von ihnen erzeugtes Kind körperlich oder geistig disharmonirende Eigenschaften haben, kurz, seine Existenz und Beschaffenheit den Zwecken des Willens zum Leben, wie er sich in der Gattung darstellt, nicht entsprechen würde. Im entgegengesetzten Fall kann, bei Heterogeneität der Gesinnung, des Charakters und der Geistesrichtung, und bei der daraus hervorgehenden Abneigung, ja Feindsäligkeit, doch die Geschlechtsliebe aufkommen und bestehn; wo sie dann über jenes Alles verblendet: verleitet sie hier zur Ehe, so wird es eine sehr unglückliche. –
    Jetzt zur gründlicheren Untersuchung der Sache. – Der Egoismus ist eine so tief wurzelnde Eigenschaft aller Individualität überhaupt, daß, um die Thätigkeit eines individuellen Wesens zu erregen, egoistische Zwecke die einzigen sind, auf welche man mit Sicherheit rechnen kann. Zwar hat die Gattung auf das Individuum ein früheres, näheres und größeres Recht, als die hinfällige Individualität selbst: jedoch kann, wann das Individuum für den Bestand und die Beschaffenheit der Gattung thätig seyn und sogar Opfer bringen soll, seinem Intellekt, als welcher bloß auf individuelle Zwecke berechnet ist, die Wichtigkeit der Angelegenheit nicht so faßlich gemacht werden, daß sie derselben gemäß wirkte. Daher kann, in solchem Fall, die Natur ihren Zweck nur dadurch erreichen, daß sie dem Individuo einen gewissen Wahn einpflanzt,

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