Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
habenden Erscheinung angehört, von ihm zu unterscheiden wissen: dergleichen ist z.B. das Begleitetseyn von Erkenntniß und das dadurch bedingte Bestimmtwerden durch Motive: dieses gehört, wie wir im weitern Fortgang einsehn werden, nicht seinem Wesen, sondern bloß seiner deutlichsten Erscheinung als Thier und Mensch an. Wenn ich daher sagen werde: die Kraft, welche den Stein zur Erde treibt, ist ihrem Wesen nach, an sich und außer aller Vorstellung, Wille; so wird man diesem Satz nicht die tolle Meinung unterlegen, daß der Stein sich nach einem erkannten Motive bewegt, weil im Menschen der Wille also erscheint 32 . – Nunmehr aber wollen wir das bis hieher vorläufig und allgemein Dargestellte ausführlicher und deutlicher nachweisen, begründen und in seinem ganzen Umfang entwickeln 33 .
§ 20
Als des eigenen Leibes Wesen an sich, als dasjenige, was dieser Leib ist, außerdem daß er Objekt der Anschauung, Vorstellung ist, giebt, wie gesagt, der Wille zunächst sich kund in den willkürlichen Bewegungen dieses Leibes, sofern diese nämlich nichts Anderes sind, als die Sichtbarkeit der einzelnen Willensakte, mit welchen sie unmittelbar und völlig zugleich eintreten, als Ein und das Selbe mit ihnen, nur durch die Form der Erkennbarkeit, in die sie übergegangen, d.h. Vorstellung geworden sind, von ihnen unterschieden.
Diese Akte des Willens haben aber immer noch einen Grund außer sich, in den Motiven. Jedoch bestimmen diese nie mehr, als das was ich zu dieser Zeit , an diesem Ort, unter diesen Umständen will; nicht aber daß ich überhaupt will, noch was ich überhaupt will, d.h. die Maxime, welche mein gesammtes Wollen charakterisirt. Daher ist mein Wollen nicht seinem ganzen Wesen nach aus den Motiven zu erklären; sondern diese bestimmen bloß seine Aeußerung im gegebenen Zeitpunkt, sind bloß der Anlaß, bei dem sich mein Wille zeigt: dieser selbst hingegen liegt außerhalb des Gebietes des Gesetzes der Motivation: nur seine Erscheinung in jedem Zeitpunkt ist durch dieses nothwendig bestimmt. Lediglich unter Voraussetzung meines empirischen Charakters ist das Motiv hinreichender Erklärungsgrund meines Handelns: abstrahire ich aber von meinem Charakter und frage dann, warum ich überhaupt dieses und nicht jenes will; so ist keine Antwort darauf möglich, weil eben nur die Erscheinung des Willens dem Satze vom Grunde unterworfen ist, nicht aber er selbst, der insofern grundlos zu nennen ist. Hiebei setze ich theils Kants Lehre vom empirischen und intelligibeln Charakter, wie auch meine in den »Grundproblemen der Ethik«, S. 48-58, und wieder S. 178 ff. der ersten Auflage dahin gehörigen Erörterungen voraus, theils werden wir im vierten Buch ausführlicher davon zu reden haben. Für jetzt habe ich nur darauf aufmerksam zu machen, daß das Begründetseyn einer Erscheinung durch die andere, hier also der That durch das Motiv, gar nicht damit streitet, daß ihr Wesen an sich Wille ist, der selbst keinen Grund hat, indem der Satz vom Grunde, in allen seinen Gestalten, bloß Form der Erkenntniß ist, seine Gültigkeit sich also bloß auf die Vorstellung, die Erscheinung, die Sichtbarkeit des Willens erstreikt, nicht auf diesen selbst, der sichtbar wird.
Ist nun jede Aktion meines Leibes Erscheinung eines Willensaktes, in welchem sich, unter gegebenen Motiven, mein Wille selbst überhaupt und im Ganzen, also mein Charakter, wieder ausspricht; so muß auch die unumgängliche Bedingung und Voraussetzung jener Aktion Erscheinung des Willens seyn: denn sein Erscheinen kann nicht von etwas abhängen, das nicht unmittelbar und allein durch ihn, das mithin für ihn nur zufällig wäre, wodurch sein Erscheinen selbst nur zufällig würde: jene Bedingung aber ist der ganze Leib selbst. Dieser selbst also muß schon Erscheinung des Willens seyn, und muß zu meinem Willen im Ganzen, d.h. zu meinem intelligibeln Charakter, dessen Erscheinung in der Zeit mein empirischer Charakter ist, sich so verhalten, wie die einzelne Aktion des Leibes zum einzelnen Akte des Willens. Also muß der ganze Leib nichts Anderes seyn, als mein sichtbar gewordener Wille, muß mein Wille selbst seyn, sofern dieser anschauliches Objekt, Vorstellung der ersten Klasse ist. – Als Bestätigung hievon ist bereits angeführt, daß jede Einwirkung auf meinen Leib sofort und unmittelbar auch meinen Willen afficirt und in dieser Hinsicht Schmerz oder Wollust, im niedrigeren Grade angenehme oder unangenehme Empfindung heißt, und auch, daß
Weitere Kostenlose Bücher