Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
findet die Erkenntniß keine Dunkelheit, stößt nicht auf das Unergründliche (Grundlose d.i. Wille), auf das nicht weiter Abzuleitende; in welcher Hinsicht auch Kant, wie gesagt, jene Erkenntnisse vorzugsweise, ja ausschließlich, nebst der Logik, Wissenschaften nennen wollte. Andererseits aber zeigen uns diese Erkenntnisse weiter nichts, als bloße Verhältnisse, Relationen einer Vorstellung zur andern, Form, ohne allen Inhalt. Jeder Inhalt, den sie bekommen, jede Erscheinung, die jene Formen füllt, enthält schon etwas nicht mehr vollständig seinem ganzen Wesen nach Erkennbares, nicht mehr durch ein Anderes ganz und gar zu Erklärendes, also etwas Grundloses, wodurch sogleich die Erkenntniß an Evidenz verliert und die vollkommene Durchsichtigkeit einbüßt. Dieses der Ergründung sich Entziehende aber ist eben das Ding an sich, ist dasjenige, was wesentlich nicht Vorstellung, nicht Objekt der Erkenntniß ist; sondern erst indem es in jene Formen eingieng, erkennbar geworden ist. Die Form ist ihm ursprünglich fremd, und es kann nie ganz Eins mit ihr werden, kann nie auf die bloße Form zurückgeführt, und, da diese der Satz vom Grund ist, also nicht vollständig ergründet werden. Wenn daher auch alle Mathematik uns erschöpfende Erkenntniß giebt von Dem, was an den Erscheinungen Größe, Lage, Zahl, kurz, räumliches und zeitliches Verhältniß ist, wenn alle Aetiologie uns die gesetzmäßigen Bedingungen, unter denen die Erscheinungen, mit allen ihren Bestimmungen, in Zeit und Raum eintreten, vollständig angiebt, bei dem Allen aber doch nicht mehr lehrt, als jedesmal warum eine jede bestimmte Erscheinung gerade jetzt hier und gerade hier jetzt sich zeigen muß; so dringen wir mit deren Hülfe doch nimmermehr in das innere Wesen der Dinge, so bleibt dennoch immer Etwas, daran sich keine Erklärung wagen darf, sondern das sie immer voraussetzt, nämlich die Kräfte der Natur, die bestimmte Wirkungsart der Dinge, die Qualität, der Charakter jeder Erscheinung, das Grundlose, was nicht von der Form der Erscheinung, dem Satz vom Grunde, abhängt, dem diese Form an sich fremd ist, das aber in sie eingegangen ist, und nun nach ihrem Gesetz hervortritt, welches Gesetz aber eben auch nur das Hervortreten bestimmt, nicht Das, was hervortritt, nur das Wie, nicht das Was der Erscheinung, nur die Form, nicht den Inhalt. – Mechanik, Physik, Chemie lehren die Regeln und Gesetze, nach denen die Kräfte der Undurchdringlichkeit, Schwere, Starrheit, Flüssigkeit, Kohäsion, Elasticität, Wärme, Licht, Wahlverwandtschaften, Magnetismus, Elektricität u.s.w. wirken, d.h. das Gesetz, die Regel, welche diese Kräfte in Hinsicht auf ihren jedesmaligen Eintritt in Zeit und Raum beobachten: die Kräfte selbst aber bleiben dabei, wie man sich auch geberden mag, qualitates occultae . Denn es ist eben das Ding an sich, welches, indem es erscheint, jene Phänomene darstellt, von ihnen selbst gänzlich verschieden, zwar in seiner Erscheinung dem Satz vom Grund, als der Form der Vorstellung, völlig unterworfen, selbst aber nie auf diese Form zurückzuführen, und daher nicht ätiologisch bis auf das Letzte zu erklären, nicht jemals vollständig zu ergründen; zwar völlig begreiflich, sofern es jene Form angenommen hat, d.h. sofern es Erscheinung ist; seinem innern Wesen nach aber durch jene Begreiflichkeit nicht im Mindesten erklärt. Daher, je mehr Notwendigkeit eine Erkenntniß mit sich führt, je mehr in ihr von Dem ist, was sich gar nicht anders denken und vorstellen läßt – wie z.B. die räumlichen Verhältnisse –, je klarer und genügender sie daher ist; desto weniger rein objektiven Gehalt hat sie, oder desto weniger eigentliche Realität ist in ihr gegeben: und umgekehrt, je Mehreres in ihr als rein zufällig aufgefaßt werden muß, je Mehreres sich uns als bloß empirisch gegeben aufdringt; desto mehr eigentlich Objektives und wahrhaft Reales ist in solcher Erkenntniß; aber auch zugleich desto mehr Unerklärliches, d.h. aus Anderm nicht weiter Ableitbares.
Freilich hat zu allen Zeiten eine ihr Ziel verkennende Aetiologie dahin gestrebt, alles organische Leben auf Chemismus oder Elektricität, allen Chemismus, d.i. Qualität, wieder auf Mechanismus (Wirkung durch die Gestalt der Atome), diesen aber wieder theils auf den Gegenstand der Phoronomie, d.i. Zeit und Raum zur Möglichkeit der Bewegung vereint, theils auf den der bloßen Geometrie, d.i. Lage im Raum, zurückzuführen (ungefähr so, wie man, mit Recht, die
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