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Die Welt ist nicht immer Freitag

Titel: Die Welt ist nicht immer Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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Telefonnummer zu fragen, aus irgendeiner unbestimmten Angst heraus, ich könnte Jennatschek damit hintergehen. Immerhin war sie seine Freundin. Er war es, der diese besondere Beziehung zu ihr gefunden und aufgebaut hatte. Das mußte ich einfach respektieren, dazu mochte ich auch Jennatschek mittlerweile zu sehr. Oder war sie nicht doch mittlerweile unsere Freundin?
    Über all dies dachte ich nach, als plötzlich das Telefon klingelte. Es war Frau Petrescu. Seit dem Zwischenfall vor zwei Wochen ruft sie mich jedesmal an, wenn sie plant, das Haus zu verlassen, und bittet mich 10 Minuten in meiner Wohnung zu bleiben, damit sie ohne die erhebliche Gefahr durch eine Begegnung mit mir durchs Treppenhaus kommt. Ich mache ihr offensichtlich wirklich Angst. Ich verspreche ihr, in der Wohnung zu bleiben, hole mir lächelnd eine Tasse Kaffee und gehe damit zum offenen Fenster direkt über der Haustür, um genau beobachten zu können, wann sie rausgeht und die Luft wieder rein ist. Ich zünde mir eine Zigarette an, stelle die heiße Tasse Kaffee solange auf das äußere, wacklige Fensterbrett und beobachte die Straße. Rund 100 Meter entfernt sehe ich eine Frau, die Maria wirklich ähnlich… nein, das ist sie, gar keine Frage. Ich bin völlig aufgeregt, wenn ich sie so zufällig treffen sollte, das wäre kein Verrat an Jennatschek, das wäre völlig okay. Ich rufe nach ihr, aber sie hört mich nicht. Egal, ich kann sie noch einholen. Wie von Sinnen greife ich mir den Wohnungsschlüssel, stoße die Tür auf und stürze völlig überhastet ins Treppenhaus. Ich sollte nicht sehr weit kommen.

    Die zwei Tage im Urbankrankenhaus haben mir eigentlich ganz gutgetan und mal Zeit gegeben, über vieles nachzudenken. Nervig war nur Frau Petrescu, die auf derselben Station, drei Zimmer weiter lag und sich alle halbe Stunde zu mir rüberschleppte, um mich mit wüsten Flüchen zu bedenken. Eine der Schwestern will sogar gehört haben, wie sie sich mit Frau Jansen über mich unterhielt und dabei mehrfach eine Großtante oder ähnliches aus den Karpaten erwähnte, die angeblich in Sachen Schwarzer Magie einiges auf dem Kasten haben sollte. Aber das beunruhigte mich nicht wirklich, Frau Jansen aus dem Parterre, die mit Frau Petrescu auf einem Zimmer lag, war auch nicht sehr gut auf mich zu sprechen. Nachdem sie Frau Petrescu und mich zusammengekeilt, verletzt und hilflos auf dem unteren Treppenabsatz vorgefunden hatte, hatte sie sofort einen Notarztwagen gerufen, war dann auf den Bürgersteig raus, um ihn zum richtigen Haus zu winken, und wurde dort relativ unerwartet von einem herabstürzenden Pott mit heißem Kaffee niedergeschlagen. Auch nicht gerade ein Glückskind. Aber das einzige, was mich wirklich beschäftigte, war die Frage, wie ich mit Maria endlich zusammenkommen könnte.
    Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus sahen wir uns praktisch jeden zweiten Tag. Jedesmal wollte ich ihr die Wahrheit sagen, aber ich brachte es einfach nicht übers Herz. So wäre es wahrscheinlich ewig weitergegangen, wenn sie nicht irgendwann die Initiative ergriffen hätte.
    - Horst, ich muß dir etwas gestehen.
    - Was denn?
    - Ich habe überhaupt keinen Internetanschluß.
    - Was? Aber wie konntest du dann?
    - Ich habe nie eine E-mail verschickt, ich weiß gar nicht, wie das geht. Frau Mühlenbeck, eine ältere Dame aus meinem Haus hat mich gebeten…
    Ihr war es genauso ergangen wie mir. Wir waren ganz aus dem Häuschen vor Freude. Und wie sich die beiden Alten erst einmal freuen würden. Wir riefen sofort Jennatschek und Frau Mühlenbeck an, um ihnen die tolle Nachricht mitzuteilen. Beide waren nicht zu Hause, also sprachen wir es ihnen auf die Anrufbeantworter.
    Bis spät in den Abend redeten Maria und ich aufeinander ein, begeistert von der für alle Beteiligten geradezu idealen Auflösung. Maria erzählte, daß auch Frau Mühlenbeck erst vor kurzem in ihr Haus gezogen wäre, nachdem vor einem halben Jahr ihr Mann gestorben war. Frau Mühlenbeck hatte Maria sogar ein Foto von sich und ihrem Mann gegeben. Sie zeigte es mir. Das Foto war noch nicht sehr alt, und der Mann war Jennatschek. Verdammt, die Alten hatten ihr Spiel mit uns getrieben. So schnell wir konnten, zahlten wir unsere Zeche und rannten nach Hause. Ohne Rücksicht auf Verluste stürmte ich die vier Stockwerke zu Jennatschek hoch, kreuzte dabei den Weg von Frau Petrescu, die sich allerdings der Einfachheit halber gleich freiwillig auf die Stufen warf, und erreichte Jennatscheks Wohnung.

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