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Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)

Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)

Titel: Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Kincaid
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Finsternis umgaben ihn, während er sich vom echten Tom in einen Internetavatar verwandelte. Er hinterließ eine Nachricht auf dem Forum. Der Zeitpunkt war perfekt gewählt, denn schon wenige Minuten später erhielt er eine private Eingangsbestätigung von Medusa mit einer neuen URL .
    Tom klinkte sich in ihr passwortgeschütztes Programm ein. Er schaute sich in dem reich verzierten Raum, den sie für die Simulation ausgewählt hatte, um. Bei dem Schauplatz handelte es sich – wie ihn das Programm informierte – um Hatfield Palace im England zur Zeit der Renaissance. Ihm gegenüber erschien flackernd Medusa als schlanke Rothaarige mit dunklen Augen und einem coolen, überlegenen Lächeln. Ihr bodenlanges Kleid wirbelte herum, als sie sich im Kreis drehte.
    »Nett«, sagte Tom und musterte sie von oben bis unten. »Welche Rolle spielst du?«
    »Prinzessin Elizabeth Tudor.« Sie trat auf ihn zu. »Wir können im Turnier kämpfen oder eine Verschwörung aushecken und Queen Mary stürzen. Oder wir können die Figuren austauschen und gegen die Iren, Schotten und Franzosen kämpfen … oder als Iren, Schotten oder Franzosen gegen die Engländer kämpfen. Nachher gibt es sogar eine Schlacht mit der spanischen Armada. Das Programm ist flexibel. Mit jeder Menge Enthauptungen.«
    »Und wer bin ich?« Er sah an sich hinunter. Er trug enge Strümpfe. Stirnrunzelnd streckte er seine virtuellen Beine versuchsweise aus. Strümpfe erschienen ihm nicht besonders männlich.
    Der Informationsalgorithmus des Programms informierte ihn, dass er Robert Dudley, der Mann, den Queen Elizabeth I. von England ihr ganzes Leben lang liebte ,spielte . Das war ein gutes Zeichen, vermutete er. Ihm war aufgefallen, dass Medusa Programme und Szenarios manchmal gezielt aussuchte.
    Dennoch war er nervös und beklommen, als Medusa auf ihn zuschlenderte und ihn unter ihrer roten Löwenmähne mit funkelnden Augen anschaute. »Ich habe schon das Schlimmste befürchtet, als du dich nicht mehr gemeldet hast.«
    Toms Magen revoltierte. »Das Schlimmste ist geschehen«, gab er zu. »Einer der Offiziere im Turm hat herausgefunden, dass ich mich mit dir treffe.«
    Ihr Gesichtsausdruck erstarrte. »Oh.«
    »Jetzt halten sie mich für die undichte Stelle.«
    Sie wandte sich von ihm ab. »Was wird jetzt mit dir geschehen?«
    »Tja, entweder werde ich … äh …« – er suchte nach einer Möglichkeit, den Memografen zu erklären, ohne die Wahrheit zu enthüllen, und begnügte sich mit – »›verhört‹ über dich, bis ich den Verstand verliere, oder ich fliege aus dem Turm raus. Für immer.«
    »Vielleicht war das hier doch eine schlechte Idee.«
    »Hey, aber es war meine schlechte Idee, okay?« Und das war jetzt sein Moment. Sein Moment zu verraten, dass er derjenige sein würde, der ihr im Kapitol entgegentrat, sein Moment, ihr zu sagen, dass sie die Einzige war, die ihn retten konnte, indem sie den Kopf für ihn hinhielt.
    Warum also brachte er kein Wort heraus?
    Tom konnte an nichts anderes denken als daran, wie demütigend es sein würde, wenn er sie anflehte, für ihn zu verlieren. Und wie erbärmlich es sein würde, wenn sie ihm ins Gesicht lachte. Denn wer bitte tat so etwas? So etwas tat kein Mensch. Nicht im richtigen Leben. In welcher Welt Yuri lebte, wusste er nicht, aber schon allein die Vorstellung, Medusa anzuflehen, ihm bitte, bitte zu helfen, ließ Tom innerlich zusammenzucken, da er wusste, dass sie ihn dann geringschätzen würde. Sie würde es jämmerlich finden, dass er solche Hilfe benötigte, dass er sie bat, für ihn zu verlieren. Da konnte er gleich fragen, ob sie auch bereit wäre, noch ein paar lebenswichtige Organe zu spenden. Sie würde es nicht tun.
    »Wir könnten uns aber weiter online treffen, oder nicht?«, fragte Medusa. »Wenn du nicht mehr im Turm bist, ist es ja kein Landesverrat mehr, wenn wir uns treffen.«
    Tom trat einen Schritt zurück. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, wie er enden würde, wenn ihm der Neuronalprozessor herausoperiert würde und er nicht mehr der tolle und intelligente Tom war, der im Turm entstanden war. Was für ein Mensch er sein würde, wenn er wieder dieser Junge war, der Neil folgte. Dieser hässliche, dumme Junge, der wertlos war.
    Er hätte sich eher den Arm abgehackt, als ihr diesen Typen zu zeigen.
    »Das wäre keine gute Idee«, sagte Tom.
    »Ich verstehe.« In ihrer Stimme schwang etwas Ausdrucksloses mit. »Wenn du also raus aus dem Militär bist, möchtest

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