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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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das Schließen
einer Tür, andere Geräusche. Glas zerbrach. Ich
fühlte, wie sich meine Nackenhaare aufrichteten; zum zweitenmal
in einer Woche. Ich umklammerte mein Kinn und ermahnte mich, mich
nicht weiter in die Angst hineinzusteigern, sondern etwas zu
unternehmen. Es konnte Eric sein, und es konnte mein Vater sein.
Ich mußte hinuntergehen und es herausfinden. Sicherheitshalber
würde ich mein Messer mitnehmen.
    Ich erhob mich aus dem Sessel, ging vorsichtig zu der Stelle, wo
die Tür war, wobei ich mich an den rauhen Backsteinen des Kamins
entlangtastete. Dort blieb ich stehen, zog mir das Hemd aus der Hose
und ließ es über den Cordsamt hängen, um das Messer
zu verbergen, das an meinem Gürtel baumelte. Ich schlich leise
hinunter zum dunklen Treppenabsatz. Im Flur brannte Licht, ganz
unten, und es warf seltsame Schatten, gelb und düster, bis
hinauf an die Wände des Treppenabsatzes. Ich ging ans
Geländer und blickte über die Brüstung. Ich konnte
nichts sehen. Die Geräusche hatten aufgehört. Ich
schnupperte in die Luft.
    Ich roch den Kneipengeruch von Rauch und Alkohol. Es mußte
also mein Vater sein. Ich war erleichtert. In diesem Moment
hörte ich ihn aus dem Wohnzimmer kommen. Hinter ihm erhob sich
ein Getöse wie das Dröhnen des Ozeans. Ich wich vom
Geländer zurück und blieb lauschend stehen. Er taumelte,
prallte an Wänden ab und stolperte die Stufen hinauf. Ich
hörte, wie er schwer keuchte und etwas vor sich hin murmelte.
Ich horchte angestrengt, während der Gestank und die
Geräusche immer weiter heraufkamen. Ich stand da und beruhigte
mich allmählich. Ich hörte, daß mein Vater den ersten
Treppenabsatz erreichte, wo das Telefon stand. Dann erklangen
unsichere Schritte.
    »Frang!« brüllte er. Ich verhielt mich still, gab
keinen Laut von mir. Das geschah rein aus Instinkt, nehme ich an,
oder aus Gewohnheit, die ich nach so vielen Gelegenheiten angenommen
hatte, bei denen ich vorgab, nicht dort zu sein, wo ich wirklich war,
und Menschen belauschte, die glaubten, allein zu sein. Ich atmete
langsam.
    »Frang!« brüllte er. Ich bereitete mich
darauf vor, wieder auf den Dachboden hinaufzuklettern, indem ich auf
Zehenspitzen zurückwich und die Stellen umging, an denen die
Bodendielen knarrten. Mein Vater schlug gegen die Tür der
Toilette im ersten Stock und fluchte, als er feststellte, daß
sie unverschlossen war. Ich hörte, wie er sich die Treppe weiter
hinaufbewegte, auf mich zu. Seine Schritte waren tapsig,
ungleichmäßig, und er brummte zornig, als er gegen eine
Wand prallte. Ich kletterte leise die Leiter hinauf und schwang mich
nach oben auf den nackten Holzboden des Dachbodens, blieb dort
liegen, den Kopf etwa einen Meter von der Öffnung entfernt, die
Hände am Mauerwerk, um mich sofort hinter den Rauchfang ducken
zu können, falls mein Vater auf die Idee käme, durch die
Öffnung auf den Dachboden zu schauen. Ich zuckte zusammen. Mein
Vater hämmerte wie verrückt gegen die Tür meines
Zimmers. Er öffnete sie.
    »Frang!« brüllte er wieder. Und dann:
»Ach… Schscheiße…!«
    Mein Herz machte einen Satz, während ich so dalag. Ich hatte
ihn noch nie fluchen hören. Es hörte sich aus seinem Mund
obszön an, nicht wie bei Eric oder Jamie, die so etwas
beiläufig taten. Ich hörte ihn unter der Öffnung
atmen, und der Gestank, der von ihm ausging, drang zu mir herauf:
Whisky und Tabak.
    Er stolperte wieder die Stufen hinunter, taumelte über den
Treppenabsatz, dann zur Tür seines Zimmers und knallte diese zu.
Ich atmete wieder, und erst jetzt merkte ich, daß ich die Luft
angehalten hatte. Mein Herz klopfte fast bis zum Zerreißen, und
ich war beinah überrascht, daß es mein Vater nicht durch
die Dielen über ihm hatte pochen hören. Ich verharrte noch
eine Weile, doch es folgten keine weiteren Geräusche mehr, nur
dieses entfernte Brummen aus dem Wohnzimmer. Es hörte sich an,
als ob er den Fernsehapparat angelassen hätte, ohne daß
ein Sender eingestellt war.
    Ich lag da, gab ihm fünf Minuten, dann stand ich langsam auf,
wischte mir den Staub von den Kleidern, stopfte das Hemd in die Hose,
hob den Beutel in der Dunkelheit auf, befestigte die Schleuder an
meinem Gürtel, tastete nach meiner Weste und fand sie, dann
kletterte ich mit meiner gesamten Ausrüstung die Leiter hinunter
auf den Treppenabsatz, überquerte ihn und ging leise die Treppe
hinunter.
     
    Im Wohnzimmer funkelte der Fernsehapparat sein farbiges Flimmern
zischend in einen leeren Raum. Ich ging hin und

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