Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
mit Gläsern und eine Behandlungsliege zum Vorschein. Nedrin betrat als Letzter das Zimmer und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Caraths Kopf schnellte herum, seine Nasenflügel bebten.
»Beruhige dich, niemand wird dir etwas tun.« Nedrin hob seine Hände als Zeichen der Beschwichtigung. »Bitte, nimm Platz.«
Der Galdana blickte kurz zu Serrashil, die ihm fast unmerklich zunickte. Zögerlich ging er zur Liege und setzte sich darauf. Kie begann unterdessen damit, den Raum genauer zu inspizieren, während Serrashil unschlüssig stehenblieb.
»Wie heißt du?«, fragte Nedrin mit ruhiger Stimme, während er einige Gläser aus den Regalen nahm und auf einer Anrichte platzierte.
»Carath.«
Serrashil musterte ihn von der Seite. Es erstaunte sie jedes Mal aufs Neue, wie bereitwillig der Galdana seinen Namen preisgab. Sie würde in einer völlig fremden Umgebung nicht wollen, dass jeder wusste, wie sie hieß.
»Und was suchst du hier, Carath?« Der Großmeister wandte sich seinem Patienten zu und legte ihm mit langsamen Bewegungen eine Hand auf den Kopf. Die Augen des Winterelfen folgten ihm, aber er machte keine Anstalten, sich zu wehren.
»Nichts«, erwiderte er nach kurzem Zögern.
»Nichts? Weshalb bist du dann nach Jadestadt gekommen?«
Carath schwieg und ließ die Untersuchung des Mediziners über sich ergehen. Dieser überprüfte sorgfältig fast sämtliche Teile seines Körpers und schien sich nicht daran zu stören, dass der Galdana ihm nicht antwortete. Nachdem er Caraths Rippen abgetastet hatte, trat er einen Schritt zurück und musterte seinen Patienten mit einem eigentümlichen Gesichtsausdruck.
»Es fehlt ihm nichts, er ist lediglich unterernährt.« Nedrin warf Serrashil einen eindringlichen Blick zu. »Ich möchte, dass du dich um ihn kümmerst, solange er hier ist.«
Sie verzog das Gesicht. »Großmeister Nedrin, es sind bald Prüfungen und …«
»Keine Widerrede«, unterbrach er sie streng. »Carath ist nun unser Gast und du, die du ihn zu uns gebracht hast, wirst dich um ihn kümmern.«
Serrashil öffnete ihren Mund und schloss ihn resignierend wieder. Na wunderbar. Besser konnte es nicht laufen. Jetzt wurde ihr auch noch ein Klotz ans Bein gehängt.
»Ach, Serra.« Kie klopfte ihr auf die Schulter. »Das wird schon. Delren und ich helfen dir natürlich, dafür sind Freunde doch da.«
»Na also.« Nedrin nickte zufrieden und wandte sich an Carath. »Wenn du nichts suchst, warum schreibst du dich nicht einfach an der Hohen Schule ein? Es ist schon sehr lange her, dass hier zuletzt ein Galdana studiert hat. Die Großmeister werden sich darum reißen, dich als ihren Schüler zu bekommen.«
Jetzt ging er aber arg weit. Serrashil hob die Augenbrauen. »Und wer soll das Schulgeld für ihn übernehmen?« Was hatte Carath gesagt, als er mit Seran aneinander geraten war? Die Utera hatten die Galdana in die Eiswüste verbannt … Soweit sie wusste, befand sich in diesem Gebiet der Welt kein eigenständiges Land – bis vor kurzem war ihr nicht einmal bewusst gewesen, dass dort Wesen hausten. Normalerweise entrichtete jedoch das Land, aus dem ein Student stammte, die hohen Schulgebühren.
Nedrin winkte ab. »Ich bitte dich. Es wird sich schon jemand finden lassen. Ein Galdana ist etwas Besonderes. Seran hat gut daran getan, euch bei mir anzukündigen. Andernfalls hätte ich euch nicht geglaubt, dass ihr mir einen Vertreter dieser Rasse bringt. Wenn ein solches Wesen hier studieren würde …« Der Großmeister schüttelte den Kopf. »Aber das haben nicht wir zu entscheiden. Was meinst du, Carath, möchtest du hierbleiben?«
Carath blinzelte irritiert, als alle Aufmerksamkeit wieder auf ihm ruhte. »Ich soll an der Hohen Schule lernen?«
Der Mediziner nickte. »Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn du bei mir Heilkunde oder Göttertum wählst. Für dich als Winterelfen wäre es aber gut denkbar, wenn du Wort- oder Gedankenmagie studierst.«
Zu Serrashils Überraschung senkte der Galdana bei Nedrins Worten nachdenklich den Blick. »Ich werde es mir überlegen.«
Zufrieden klatschte Nedrin in die Hände. »Sehr schön! Und jetzt lasst uns eine Unterkunft für dich finden!«
Kapitel 5
Serrashil atmete noch einmal tief durch und drückte die Türklinge nach unten. Quietschend öffnete sich die alte Holztür und ließ sie eintreten.
Der Raum dahinter lag im Dunkeln. Lediglich etwas Mondlicht fiel durch die großen Fenster, die fast die ganze gegenüberliegende Wand
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