Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
einmal durchzukauen, aber ihr Liebster hatte das Recht darauf, es zu erfahren. Sie wollte keine Geheimnisse vor ihm haben. Müde lehnte sich Serrashil an Delrens Brust und begann zu erzählen: »Es hat alles angefangen, als Großmeister Randef mich wegen meiner Träumereien aus dem Unterricht geworfen hat …«
Delren schwieg, nachdem sie mit ihren Ausführungen geendet hatte. So wie schon die ganze Zeit über. Er hatte weder ein Wort zu Carath noch zu den Galdana im Allgemeinen verloren. Selbst der Beschluss Nedrins, Carath vorerst bei ihr im Zimmer unterzubringen, hatte bei Delren nicht die geringste Regung ausgelöst. Bislang hatte Serrashil das Glück gehabt, eine Unterkunft für sich alleine zu haben. Es war nicht so, dass sie Carath nicht mochte, aber sie hatte ihr Einzelzimmer zu schätzen gewusst. Mehr Platz, mehr Ruhe, niemanden, den man stören konnte und zu guter Letzt ein willkommener Rückzugsort für sich und Delren, auf den sie jetzt verzichten mussten.
Delren unterbrach ihren Gedankengang, in dem er sich nach vorne lehnte und die Arme um sie schlang. Wortlos küsste er sie am Halsansatz. Seine Bartstoppeln kitzelten ihre empfindsame Haut.
»Macht es dir etwas aus, dass ich mein Zimmer mit Carath teilen muss?«, fragte Serrashil vorsichtig nach.
Sie spürte, wie sich sein Mund an ihrer Haut zu einem Lächeln verzog. »Nein. Es ist eben so, daran können wir nichts ändern.« Seufzend ließ er sich zurückgleiten, bis er flach auf dem Boden lag. Mit einem schelmischen Leuchten in den Augen blinzelte er zu ihr auf. »Wir können uns in der Stadt immer noch ein Zimmer nehmen.«
Serrashil knuffte ihm gespielt empört in die Seite. »Sonst hast du nichts dazu zu sagen?« Sie legte sich neben ihn, den Kopf auf ihren Arm gestützt, um ihn weiterhin ansehen zu können. »Ich habe einen Winterelfen in meinem Zimmer.«
Delren zuckte mit der Schulter. »Damit wirst du leben müssen.«
Serrashil schüttelte den Kopf und kuschelte sich ganz neben ihn, den Blick aus dem Fenster zum sternenklaren Nachthimmel gerichtet. Typisch Delren, ihn brachte so leicht nichts aus der Ruhe. Selbst ein fremder Mann im Zimmer seiner Lebensgefährtin nicht. Oder war sie es, der die Angelegenheit zu ernst vorkam?
Die Müdigkeit übermannte sie und lastete schwer auf ihren Augenlidern. Blinzelnd kämpfte sie gegen den Schlaf an. Sie musste zurück in ihr Zimmer, zurück zu Carath … Es würde Ärger geben, wenn man sie zu später Stunde außerhalb ihrer Unterkünfte finden würde. Aber die Vorstellung, einfach einzuschlafen, war hundertmal verlockender, als sich aufzuraffen und zu gehen …
Delren richtete sich langsam auf, als er die regelmäßigen Atemzüge seiner Liebsten bemerkte. Völlig entspannt lag sie neben ihm, das Haar noch von ihrem Kampf zerzaust, den Mund leicht geöffnet. Eingeschlafen.
Sanft strich er ihr die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Serrashil murmelte etwas im Schlaf und wälzte sich zur Seite. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Seine Kämpferin hatte heute viel durchgemacht, kein Wunder, dass sie bald eingeschlafen war.
Ein Glockenschlag hallte durch das Fenster und ließ ihn den Kopf heben. Die Mitte der Nacht war erreicht, alle Studenten – mit Ausnahme der beiden höchsten Grade, Yondar und Shintar – hatten sich zu ihren Unterkünften zu begeben und durften diese bis zum Anbruch des nächsten Tages nicht mehr verlassen.
Delren erhob sich, sammelte ihre Sachen zusammen und band sich die beiden Schwerter zusammen mit Serrashils Rüstung auf den Rücken. Dann ging er neben ihr in die Knie, schob vorsichtig seine Arme unter ihren Körper und hob sie hoch. Gepresst stieß er seinen Atem aus. Gar nicht mal so leicht, sein Mädchen.
Mit einem Fuß stieß er die Tür zu ihrem kleinen Übungsraum auf und folgte den Gängen des Hauptgebäudes zur Empfangshalle. Unterwegs flackerten die Magischen Feuer an den Wandhalterungen auf, wenn er in ihre Nähe trat, und erlosch wieder, wenn er sie passiert hatte. Ihm begegneten keine anderen Studenten oder Meister, erst in der Nähe der Halle vernahm er gedämpfte Stimmen. Einige Yondarin und Shintarin saßen in Gruppen beieinander an den ausnahmsweise überwiegend unbesetzten Tischen in der Mitte der Empfangshalle. Sie brüteten über Büchern oder diskutierten leise in ihren Landessprachen miteinander. Einige warfen Delren und Serrashil skeptische Blicke zu, doch niemand rief nach einem Meister oder gar Großmeister, um sie zu verpetzen.
Delren
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