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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dagegen, mir zu sagen, was los ist?«
    »Komm und sieh es dir selber an.«
    Bill ritt hinüber. Flint war wieder abgestiegen, er hockte am Ufer und starrte auf den Boden.
    »Verdammt, Flint, sag endlich, was du vorhast? Worauf warten wir noch? Holen wir sie uns.«
    »Siehst du, hier, zwischen den Steinen? Noch mehr Hufspuren. Tiefere. Die auf der anderen Seite sind deutlich schwächer. Keine Reiter. Ein alter Shoshonentrick. Sie lassen ein paar Pferde laufen, sitzen zu zweit auf und schicken dich auf die falsche Fährte. So haben sie es hier gemacht.«
    Bill Hawks schüttelte den Kopf, beeindruckt und ein wenig irritiert von Flints Scharfsinn.
    »Wie viel Vorsprung haben sie?«
    Flint blinzelte in die Sonne.
    »Drei Stunden, vielleicht dreieinhalb.«
    »Wie viele sind es?«
    »Drei Pferde, fünf oder sechs Männer. Und das Mädchen.«
    »Auf geht’s.«
    Flint stieg wieder auf sein Pferd, und die beiden ritten am Flussufer entlang.
    »Tommy! Schlafenszeit!«
    Seine Mutter rief aus der Küche. Sie kam immer zur falschen Zeit. Tommy tat so, als hätte er sie nicht gehört.
    »Tommy?«
    Sie erschien in der Tür, wischte sich die Hände an der Schürze ab.
    »Es ist halb neun. Ins Bett mit dir.«
    »Mom, das ist
Wagon Train
. Die Folge dauert eine Stunde.«
    Sie blickte verwirrt. Der vertraute Geruch von Gin und Zigaretten wehte ins Wohnzimmer. Tommy lächelte sie engelhaft an.
    |14| »Es ist doch meine Lieblingsserie. Bitte.«
    »Also gut, kleiner Racker. Ich bring dir deine Milch.«
    »Danke, Mom.«
    Flint hatte das kleine weiße Mädchen ein paar Tage zuvor entdeckt. Sie war allein durch die Wildnis gestreift. Ihr Kleid war zerrissen und blutbefleckt, und ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Der Major fragte sie vorsichtig, was passiert sei, aber ihr hatte es offenbar die Sprache verschlagen. Flint sagte, sie müsse mit einem anderen Treck unterwegs gewesen sein, der auf eine Gruppe Shoshonen gestoßen war. Sie müsse irgendwie entkommen sein. Dann, letzte Nacht, hatten sich die Indianer ins Lager geschlichen und sie aus ihrem Bett geholt.
    Aber Flint McCullough, zweifellos der tapferste und klügste Mann der Welt, würde sie finden, die Indianer töten und sie retten.
    In dieser Episode trug Flint seine enge Wildlederjacke mit den Fransen an den Schultern. Tommy hatte natürlich die gleiche an. Nun ja, fast. Seine Mutter hatte ihm seine aus den beigefarbenen Stoffresten von den neuen Vorhängen im Schlafzimmer genäht, aber sie war viel zu groß, und, um ehrlich zu sein, Nylon-Velour sah ganz und gar nicht aus wie Wildleder. Immer noch besser als gar nichts. Und er hatte einen Hut und einen Waffengürtel mit Lederschnüren am Holster, die ein bisschen so aussahen wie Flints. Die schwarze sechsschüssige Peacemaker mit dem weißen Griff, die ihm seine Schwester Diane zum Geburtstag geschenkt hatte, sah so echt aus, dass Tommy dachte, er könnte damit eine Bank überfallen. Für dieses abendliche Abenteuer hatte er sie mit einer neuen Rolle Platzpatronen geladen, den hellblauen aus der weißen Dose, die viel lauter knallten als die aus der roten von Woolworth.
    Es war Anfang September, die Tage wurden kürzer. Die Luft, die durch das große Erkerfenster zog, war kühl und roch nach regennassem Staub und Äpfeln, die auf der Wiese verfaulten. |15| Eine Amsel sang laut im alten Kirschbaum. Auf der Weide jenseits des Gartens rief eine Kuh nach ihrem Kalb. Tommy saß an einem Ende des riesigen neuen Sofas. Es hatte ein rot-grünes Blumenmuster, von dem einem schwindelig wurde, wenn man es zu lange anstarrte. Zum Sofa gehörten zwei passende Sessel, die so viel Platz einnahmen, dass man sich seitlich an ihnen vorbeizwängen musste, um zum Fernseher in der Ecke des Zimmers zu gelangen, der in einem Schrank mit Mahagonifurnier stand.
    Das Haus war früher das Cottage eines Landarbeiters gewesen. Seine Eltern hatten einen hässlichen Anbau errichten lassen, aber trotz des einheitsstiftenden weißen Anstrichs schien der Ort mit sich uneins zu sein. Das Haus befand sich auf einem halben Hektar großen Grundstück auf einem sanften bewaldeten Hügel, von dem aus man das stetige Vordringen der Stadt beobachten konnte, denn die Farmer verkauften nach und nach ihre Äcker an Bauherren. Eine gewaltige vierspurige Schnellstraße von Birmingham nach Bristol war in Bau. Tommys Vater klagte oft darüber, dass die Gegend gar nicht mehr ländlich war.
    Aber Tommy gefiel das Haus. Er hatte sein ganzes Leben hier gewohnt. Der

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