Die Witwen von Paradise Bay - Roman
schaffe.«
»Oh«, macht mein Mund, doch es kommt kein Ton heraus. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, obwohl die Situation mit jeder Sekunde, die er im Türrahmen steht, unangenehmer wird. Seine Ankündigung hat mich überrascht, doch das sollte sie nicht. Während der Totenwache oder der Beerdigung gab es zwischen uns keinen Anfall von Leidenschaft, nur etwas tröstlich Vertrautes, als Howie bei alledem meine Hand gehalten hat. Natürlich habe ich erwartet, dass er zu seinem Leben in Toronto zurückkehren würde, nur jetzt noch nicht. Aber als er dort im Türrahmen steht, den Mantel über den Arm gelegt, ist es vollkommen einsichtig: Howie ist ein Pflichtmensch, und nun, wo die Beerdigung meiner Mutter hinter uns liegt, hat er seine Schuldigkeit getan.
»Quentin?«, flüstere ich. Sein Name ist Bitte und Frage zugleich, und ich wage kaum, aufzusehen.
»Quentin fährt nirgendwohin.«
Ist das der Trost für das Ende meiner Ehe und den Tod meiner Mutter? Und muss ich Howie dafür danken? Oder gewährt er mir bloß eine Atempause und erwartet, dass ihm Quentin in einigen Wochen folgt?
»Prissy«, sagt Howie, als würde er zu einer Erklärung ansetzen. Ich will es nicht hören und ihm das aber auch nicht sagen. Ich setze mich im Schneidersitz auf den Boden und starre den Wegwerfen-Stapel an, bis er vor meinen Augen verschwimmt.
»Ich war lange fort und muss mich um vieles kümmern. Ich muss mich mit meinen Geschäftspartnern treffen und eine Lösung finden, und ich muss den Verkauf des Hauses organisieren.«
Er verkauft unser Haus. Hat ihm ein Anwalt dazu geraten, um den Erlös zu teilen? So etwas scheint üblich zu sein, und trotzdem kann ich nur daran denken, wie aufgeregt wir am Tag unseres Einzugs waren. Ich hatte mir niemals träumen lassen, in einem so großartigen Heim zu wohnen.
Howie hockt sich vor mich auf den Boden, so wie früher vor Quentin, als er seine Spielzeugautos und Lkws zu Ministaus aufbaute. Er reicht mir einen Umschlag, und ich nehme ihn mit zitternden Händen entgegen, voller Furcht vor dem Inhalt. Der letzte Umschlag, den ich von Howie bekommen hatte, hatte die Scheidungspapiere enthalten.
»Ich habe dir nach dem Tod deiner Mutter etwas gekauft, aber ich wollte die Beerdigung abwarten, ehe ich es dir gebe.«
Im Innern liegt die Besitzurkunde für ein Gebäude. Ich habe im Laufe der Jahre Hunderte solcher Dokumente auf Howies Schreibtisch gesehen, aber auf diesem steht mein Name. Die Adresse erkenne ich sofort. »Du hast mir Hayward’s gekauft?«
»Ja«, sagt er lächelnd. »Hayward, der alte Hurensohn, war ein sehr zäher Verhandlungspartner. Er ahnt wohl, dass wir in seinem Laden rumgemacht haben, und wollte es mir auf diesem Wege heimzahlen.«
Ich bin vollkommen verwirrt. »Aber warum?«
»Weil ich als Fischer grottenschlecht wäre. Weil mir Mr. Hayward bei meinem letzten Einkauf gesagt hat, dass er sich gerne zur Ruhe setzen würde. Weil ich nicht zulassen werde, dass du das Versprechen deiner Mutter gegenüber brichst. Weil ich dich liebe.«
Seine Stimme zittert, und ich habe keine Zeit, seine Worte zu verarbeiten, weil mich Howie schon im Arm hält, mir übers Haar streichelt und in meinen Nacken weint. Ich habe Howie noch nie so unbeherrscht erlebt, und das irritiert mich. Für mich war er immer der unfehlbare, starke, entschiedene, verlässliche Mann, und ihn so aufgelöst zu sehen, bringt mich aus der Fassung. Aber nicht lange. Augenblicke später schon weine ich Tränen der Erleichterung.
Ich spüre seine Lippen auf meinen, mein Mund öffnet sich. Das Gefühl ist vertraut und neu zugleich. Mein Herz schlägt schneller, meine Beine werden weich, doch das macht nichts, denn Howie trägt mich die schmale Treppe hinauf zu meinem Schlafzimmer. Er lässt mich erst los, als er auf mir liegt, sein Körper dicht an mich gedrängt. Mir ist egal, dass ich mir die Zähne nach dem Essen nicht geputzt habe und mein BH und meine Unterhose nicht zusammenpassen. Er liebt mich auf eine dringliche Art. Er hält nicht inne, um lustvoll zu spüren, wie sich unsere Körper nach so langer Zeit wieder berühren, er hat es eilig, er liebt mich, als würde ich jeden Augenblick entschwinden. Genauso hat er mich geliebt, als wir uns bei Hayward’s begegnet sind, und einen Augenblick lang bin ich wieder das junge Mädchen, das einem gut aussehenden Fremden erliegt. Ich habe es eilig wie er und genieße die fiebrige Bewegung seines Körpers in meinem. Ich spüre, wie intensiv sein Höhepunkt ist,
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