Die Witwen von Paradise Bay - Roman
klingt vielleicht zu einfach, aber manchmal sind die scheinbar kompliziertesten Dinge so simpel.
Das alles kommt mir in den Sinn, während ich darüber nachdenke, dass Georgia endlich Frieden mit Fred geschlossen und Prissy die Liebe zu dem Mann, der immer ihre große Liebe war, wiedergefunden hat. Eifersucht durchzuckt mich, aber sie wird von Schuldgefühlen verdrängt, denn ich werde Prissy ganz schrecklich vermissen, wenn sie Paradise Bay verlässt, wahrscheinlich mehr als Ches.
Kapitel 42
Prissy
Was soll ich bloß mit all dem Müll machen, den meine Mutter im Laufe ihres Lebens angesammelt hat? Um mich herum stapeln sich Kisten, Papierberge, Bündel von Reader’s Digest und Berge von Klatschblättern. Die Verschiedenartigkeit von Moms Hab und Gut überfordert mich. Zuvor habe ich schon all ihre Kleider zusammengepackt und an den Wohltätigkeitsladen gegeben, sogar die Kaschmirstola, die ich ihr vor vier Jahren zu Weihnachten geschickt hatte. Ich habe sie auf dem obersten Fach in Moms Kleiderschrank entdeckt, noch immer in der Schachtel des Edelkaufhauses Holt Renfrew. Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht hatte, meiner Mutter diese edle Stola zu schenken. Sie hatte niemals etwas so Luxuriöses besessen, und ich fand wohl, sie hätte es verdient, sich in den weichen, warmen Stoff zu schmiegen. Aber das Geschenk war für meine Mutter viel zu übertrieben, denn sie hat es kein einziges Mal aus der Schachtel geholt, obwohl ihre Quilts sämtlich Flicken hatten und ihre Wolljacken vollkommen ausgeleiert waren.
Ich habe drei Stapel gemacht: behalten, wegwerfen, unentschieden. Der Wegwerfen-Stapel ist der größte, mit Stromrechnungen bis zurück in den Mai 1984, einem Supermarktkalender aus dem Jahr 1979 und einem Kalender der Scotiabank aus dem Jahr 1982. Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, welche Bedeutung diese Jahre wohl hatten, und dann schnaubend über mich selbst gestaunt. Wie konnte ich annehmen, dass meine Mutter so organisiert gewesen sein sollte! Wahrscheinlich hatte sie die Kalender irgendwann einfach in die Ecke geworfen.
Der Behalten-Stapel ist der kleinste, hier finden sich Bankdokumente, medizinische Unterlagen, Bescheinigungen aus dem Beerdigungsinstitut und einige Zeitungsausschnitte wie meine Hochzeits- und Quentins Geburtsanzeige, Postkarten von längst verstorbenen Verwandten und verblichene Fotografien von Leuten, die ich ohne graues Haar und Falten kaum erkenne.
Der Unentschieden-Stapel bereitet mir den meisten Kummer. Hier liegen meine und Charlies Zeugnisse, eine Makkaroni-Kette, die ich bei den Pfadfindern zu Muttertag gemacht hatte, ein tönerner Aschenbecher, der aus Zeiten stammt, als Aschenbecher noch als annehmbares Schulprojekt galten, und eine Geburtstagskarte, die Quentin seiner Großmutter aus blauem Papier gebastelt hatte. Sie beschwören zwar einen kurzen Moment der Nostalgie herauf, aber ansonsten bedeuten mir diese Dinge nichts. Ich zögere dennoch, sie wegzuwerfen, weil sie Mom etwas bedeutet haben. Ich hebe ja auch Quentins Babysachen auf – die erste Locke, die ich ihm abgeschnitten habe, und den ersten Zahn, der ihm ausgefallen ist – in einer Schachtel, in der auch eine gerahmte Einladung zu unserer Hochzeit und mein Hochzeitsalbum liegen. Beides wurde vor Jahren auf den Dachboden verbannt. Ich stelle mir vor, wie ein erwachsener Quentin nach meinem Tod die Kisten durchstöbert und über alte Erinnerungen lächeln muss.
Die Dielen quietschen. Howie beobachtet mich, lässig an den Türrahmen gelehnt, eine Hand in der Hosentasche, in der anderen einen Umschlag. Seinen Mantel hat er über den Arm gelegt.
»Hey«, sage ich. Seit der Beerdigung gehen wir wieder zurückhaltender miteinander um, als wären wir vom Schmerz der letzten Tage emotional erschöpft. Es hat mich erstaunt, wie selbstverständlich wir wieder zu unseren alten Verhaltensmustern zurückgefunden haben, dass wir Smalltalk halten, über das Wetter oder die Geräte in der Werkstatt meines Vaters diskutieren oder über vollkommen unwesentliche Dinge, etwa, wie lange man für 25 Cent auf der Water Street parken darf.
»Du musst das doch nicht jetzt tun.«
»Ich möchte aber«, sage ich. »Dann habe ich wenigstens etwas zu tun.«
Wir schweigen eine Weile. Ich wühle mich weiter durch die Sachen meiner Mutter, und Howie beobachtet mich dabei.
»Ich nehme den ersten Flug gleich morgen früh«, verkündet er. »Ich bleibe heute Nacht in einem Hotel beim Flughafen, damit ich es pünktlich
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