Die Witwen von Paradise Bay - Roman
vollständig verdeckt, aber sein goldenes Haar ist unübersehbar. Ich betrachte das Bild und kämpfe mit den Tränen. Die beiden Jungen wirken absolut sorglos, und so traurig ist das Wissen darum, wie sich ihr Leben entwickeln sollte.
»Danke«, sage ich. »Das ist wundervoll. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, denn ich habe kein Geschenk für dich.«
»Du schenkst mir mehr, als ich mir je hätte träumen lassen«, sagt Fred. »Ich habe viel nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ein richtiger Vater sein will. Joseph hätte mich umgebracht, wenn ich dich und mein Kind im Stich gelassen hätte. Keine Ahnung, wie das gehen soll, aber ich glaube, wir können es schaffen.« Fred blickt mich flehentlich an. Ich weiß nicht, was er will, aber ich weiß, dass ich ihm die Wahrheit schuldig bin, wie schmerzhaft sie auch sein mag.
»Ich kann dich nicht lieben«, sage ich. Das soll kein persönlicher Angriff auf Fred sein, und es fällt mir schwer, ihm das zu sagen, denn er hat sich so große Mühe gegeben, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. »Ich habe die Liebe meines Lebens erlebt, und so etwas gibt es kein zweites Mal. Ich bin nicht fähig, jemand anderes so zu lieben wie ihn. Ich kann dir vergeben, was an jenem Abend geschehen ist. Ich kann ein Kind mit dir großziehen. Ich kann mir vorstellen, mit dir in Freundschaft zu leben, vielleicht sogar eines Tages in Gemeinschaft. Aber ich werde dich niemals lieben können.«
Meine Worte klingen kalt, besonders als Erwiderung auf sein Friedensangebot, doch ich möchte keine Erwartungen wecken, die ich später bitter enttäuschen muss.
»Ich bin nicht auf der Suche nach Liebe, Georgia«, sagt er und steckt die Hände in die Taschen. »Ich versuche nur, mich von einem Tag zum nächsten zu hangeln, und das haben wir gemeinsam, oder nicht?«
Kapitel 40
Prissy
Charlie weckt mich gegen fünf Uhr morgens mit einem sanften Schütteln. Mom ist wach und will mit mir sprechen. Ich springe vom Boden auf, ärgere mich, dass ich eingedöst war. Aber nun bin ich schlagartig wach, der Adrenalinschub hat alle Muskeln und Nerven in Aufruhr versetzt. Auf diesen Moment habe ich gewartet. Aus diesem Grund trage ich seit vierzig Stunden die gleichen Kleider, habe ich eine Laufmasche in der Strumpfhose, die bis hinunter in die verstärkte Zehenspitze gewandert ist. Deshalb sind Wimperntusche und Eyeliner verschmiert und mein Haar zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich konnte nicht beim Tod meines Vaters anwesend sein, aber für meine Mutter bin ich wach und bereit. Ich weiß nicht, ob sie letzte weise Worte sagen oder eine bedeutsame Wahrheit in mein Ohr flüstern will. Ich weiß nur, dass ich in ihren letzten Momenten zugegen sein, ich ihre Hand halten will, wenn sie mich verlässt. Ich setze mich auf die Bettkante, nehme ihre Hände und küsse sie sanft auf die Fingerspitzen.
»Mom«, flüstere ich. »Ich bin da.«
»Prissy«, sagt sie heiser und hustet vor Anstrengung. Eigentlich sollte ich sie nicht sprechen lassen, doch ich will unbedingt hören, was sie zu sagen hat. »Ich bin so froh, dass du nach Hause gekommen bist«, sagt Mom. Ich nicke. Ist Mom immer noch verwirrt und denkt, ich sei eben erst eingetroffen?
»Ich auch«, sage ich und gehe auf ihr Spiel ein.
»Und wann kommst du endgültig nach Hause?«, fragt sie mit einem kleinen Lächeln. Tränen treten mir in die Augen. Diese Frage hat mir meine Mutter bei jedem meiner Besuche gestellt. Eines schönen Tages, Mom , habe ich immer erwidert. Dann bin ich sicher längst tot , lautete ihre Antwort darauf. Ach was, du wirst schon sehen , habe ich ihr immer versichert. Dieser Dialog hatte sich zu einem Ritual entwickelt, einer heiteren Kabbelei, wenn die Koffer mit den Mitbringseln gepackt waren, die Flugtickets bereitlagen und das Handgepäck in der Ecke des Wohnzimmers stand. Es ersparte uns einen langwierigen, tränenreichen Abschied. Wie gewitzt von meiner Mutter, diesen Wortwechsel an ihrem Totenbett aufleben zu lassen, um uns den Schmerz eines endgültigen Abschieds zu ersparen.
Ich will gerade sagen: Eines schönen Tages, Mom , da überrascht sie mich mit einem letzten Coup.
»Versprich mir, dass du bleibst«, flüstert sie. »Versprich es mir.«
Darauf war ich nicht gefasst. Ich zögere. Wer weiß, wo ich ankommen werde, wenn alles vorbei ist, wenn meine Mutter von uns gegangen ist und die Einzelheiten meiner Scheidung geklärt sind. Ich spüre, dass mein Schweigen Charlie verstimmt,
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