Die Witwen von Paradise Bay - Roman
über meine zittrigen Beine zieht, mich auf das Regal mit Zwieback und Pfefferminzpastillen hebt und mich dort rasch und fieberhaft liebt.
Er braucht nur wenige Minuten, dann ist er fertig und sieht mit ungläubigem Staunen auf mich herab. Er schließt verlegen seinen Gürtel, nimmt die Autoschlüssel, murmelt, wie nett es gewesen sei, mich kennengelernt zu haben, und stürmt mit hochrotem Kopf aus dem Laden.
Als die Kinder später hereindrängen, um ihre Gröschelchen auszugeben, frage ich mich, ob das alles überhaupt passiert ist. So etwas habe ich noch nie getan, es kommt mir vollkommen irreal vor.
Ich hatte erst zwei Mal Sex, beide Male mit Ryan Vogel. Ich habe nur Lottie davon erzählt, aber Gott weiß, wem Ryan das alles erzählt hat – vermutlich halb Paradise Bay. Lottie fragt immer, ob ich noch gut zu vögeln bin, und lacht über ihre ach so clevere Zweideutigkeit. Gerade Lottie sollte sich lieber ruhig halten, angesichts ihrer eigenen Umstände. Zu Lottie habe ich gesagt, es sei wundervoll gewesen, denn das wollte sie wohl hören, doch in Wahrheit war es schrecklich. Es hat wehgetan; es war kalt und unbequem, und ich fand die ganze Angelegenheit erniedrigend. Ich weiß nicht, wieso Sex mit einem Wildfremden zwischen Stapeln von Marmeladenkeksen weniger erniedrigend sein soll als Sex mit meinem Highschoolfreund auf der Bank im Strandhaus seiner Eltern, aber so ist es halt.
Ich durchlebe die Szene während der nächsten Tage immer wieder, und jedes Mal kribbelt es in meinem Bauch, mein Atem geht automatisch flacher, genau wie in dem Moment, als Howards Lippen auf meinen lagen. Das werde ich niemandem erzählen, nicht einmal Lottie, dieses Erlebnis soll nur mir gehören.
Ich rechne auch nicht damit, ihn wiederzusehen, doch als er zwei Wochen später in Hayward’s Laden auftaucht und verkündet, er habe gerade ein Lagerhaus gekauft, und mich fragt, ob ich zur Feier des Tages mit ihm essen gehen wolle, beschließe ich in diesem Augenblick, dass ich Mrs. Howard Montgomery werden will. Das allerdings erfordert ein vollkommen anderes Verhalten als bei unserer ersten Begegnung. Ich werde nun nicht mehr mit ihm schlafen, zumindest so lange nicht, bis er mich fragt, ob ich ihn heiraten will. Aber ich erlaube ihm, seine Hand unter meine Bluse zu schieben, und reibe über seine Hose, bis die Nähte beinahe platzen. Je mehr ich ihn reize, umso mehr Aufmerksamkeit schenkt er mir. Er fährt mit mir nach St. John’s und geht mit mir in richtige Restaurants, mit Tischdecken, Weinkarte und Servietten, die man sich auf den Schoß legen kann.
Ich bin total verliebt und erzähle jedem und allen, dass wir heiraten und nach Toronto ziehen werden. Lottie glaubt mir nicht, aber sie ist bestimmt bloß neidisch, weil sich Ches Crocker nicht als der Mann ihrer Träume entpuppt hat. Sie sagt immer, jemand wie Howie sei bestimmt schon verheiratet. Ich nehme ihr das nicht übel, sie tut mir leid, weil sie von einem Typen wie Ches geschwängert wurde, und als Howie mich bittet, seine Frau zu werden, bitte ich sie, meine Trauzeugin zu sein.
Gegen vierzehn Uhr melden sich willkommene Kopfschmerzen, was das Problem mit der Ausrede löst. Dann kann ich mit Howie auf dem Sofa sitzen, meinen Kopf in seinen Schoß legen und er mir die Schläfen reiben und den Kopf massieren. Ich hole die extrastarken Paracetamol aus dem Arzneischrank und lasse die Schachtel gut sichtbar auf der Küchenanrichte liegen. Kurz vor halb sechs ziehe ich die Vorhänge zu, dabei wird es im Juni erst in drei Stunden dunkel. Ich lege mich aufs Sofa, mit einem warmen Waschlappen über der Stirn, und warte auf das Motorengeräusch von Howies Auto.
Doch als Howie dann nach Hause kommt, wirkt er nicht, als wäre er in besonders erotischer Stimmung. Er bleibt mitten im Wohnzimmer stehen und sieht mich an, aber eigentlich sieht er durch mich hindurch. Ihm scheint gar nicht aufzufallen, dass ich in einem dunklen Zimmer liege und sein altes Uni-Sweatshirt trage, obwohl es draußen mindestens 28 Grad warm ist. Die Falten an seinen Augen haben sich seit dem Frühstück tiefer eingegraben. Als Howie nervös im Wohnzimmer hin und her läuft, setze ich mich auf und nehme den Waschlappen von der Stirn. Plötzlich begreife ich, dass Howie tatsächlich reden will. Seinem verstörten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, geht es um etwas Unangenehmes. Ich blicke ihn gespannt an.
Ob Howie etwa krank ist, womöglich sterbenskrank? Nach außen hin wirkt er kerngesund. Er sieht nicht
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