Die Witzekiste
unbedingt berücksichtigt werden sollten, mit zwei oder drei Kreuzen markiert wurden. Meine »Drei Riesen« tauchten gar nicht erst auf. Bei der nächsten Sitzung sagte ich: »Ihr habt meinen Lieblingswitz, den von den ›Drei Riesen‹, vergessen.« Und weil ich ihn so gut fand, erzählte ich ihn noch mal. Peter Jamin, der ebenfalls zur Runde gestoßen war, blickte mich zweifelnd an, als ich nach der Pointe in Gelächter ausbrach. Ich fand kein Echo. Chris Howland bestellte ein Mineralwasser und pfiff durch die Zähne, was er immer tut, wenn ihm etwas peinlich ist. Dieter Thoma strich mit dem Daumen seine Brauen zurecht und sagte in einem Tonfall, der eindeutig meinen Humor in Frage stellte: »Sag mal, findest du diesen Witz wirklich gut?«
»Ja«, sagte ich, »ja, ja, ja! Und ich lasse mir die ›Drei Riesen‹ von euch auch nicht austreiben. Das ist ein Schmuckstück unserer Sammlung.« Betretenes Schweigen. Chris Howland pfiff. Jamin fixierte mich wie jemanden, dem ein Fauxpas unterlaufen ist, der aber von seinen Gesprächspartnern rücksichtsvoll überhört wird. Thoma wölbte die Lippen und sagte: »Also wenn du den Witz wirklich so gut findest, kannst du ihn ja unter deinem Namen in einer persönlichen Notiz unterbringen.«
Das tue ich hiermit:
Drei Riesen unterhalten sich darüber, wer von ihnen den größten Vater hatte. Sagt der eine:
»Wenn mein Vater morgens aufstand und die Füße voreinandersetzte, stand er mit einem Bein in Frankreich und mit dem anderen in Australien.«
»Das ist noch gar nichts« , sagt der zweite Riese. »Wenn mein Vater morgens aufstand und sich mal so richtig reckte, hatte er in jeder Hand einen Planeten.«
»Waren die Planeten warm?«, fragt der dritte Riese.
»Ja , warum?«
»Dann waren das die Eier von meinem Alten.«
DIETER THOMA
Die Tochter des Gastgebers
Lieblingswitze verraten viel über den Menschen, der sie preisgibt, sagen die Psychologen. Ich verknüpfe deswegen Witze untrennbar mit Menschen, die sie mir erzählt haben, als seien sie ihr geistiges Eigentum. Über vierzig Jahre hinweg konnte ich manchmal behalten, wer mir bei einer bestimmten Gelegenheit welchen Witz weitergab. Das gilt auch für Erlebnisse, in denen ein Witz anders wirkte als sonst, weil er auf eine besondere Situation traf.
Nur Musik vermittelt noch vergleichbare Erinnerungsbrücken; das erste Sinfoniekonzert, die erste Oper, die neue Freundin, die damals einen schrägen Schlager schätzte. Sobald ich die Musik höre, lebe ich in dieser Vergangenheit, werden alte Freunde wieder aktuelle Gesellschafter.
Auch
wo
man einen Witz erzählt, kann wichtig sein, die Stimmung, die Zuhörer, der Vorlauf, die Tageszeit. Und manchmal kommt dann noch eine Überraschung dazu.
Auf einer Reise hatte mich ein Gesprächspartner abends zum Essen an den Familientisch eingeladen. Seine Frau und zwei Töchter, 16 und 14 Jahre alt, saßen auch dabei. Nach dem Essen tischte der Gastgeber einen Witz auf. Ich fügte einen anderen hinzu, und so tauschten wir eine Zeitlang Pointen aus, streng darauf bedacht, sie nur aus der obersten Schublade zu nehmen, geeignet für jedes katholische Lyzeum.
Da meldete sich die vierzehnjährige Tochter und fragte, ob auch sie einen Witz erzählen dürfe.
»Natürlich«, erlaubte der Vater und lehnte sich nicht ohne väterlichen Stolz zurück. Und Tochter Ulrike begann:
Es gibt Anstandsunterricht bei der Bundeswehr. Der Spieß fragt die Rekruten, wie sie sich in folgender Situation verhalten würden: »Sie sitzen mit einer Dame in einem Lokal und müssen mal austreten. Was sagen Sie?«
Der erste antwortet: »Was soll ich schon groß erklären?
Ich werde sagen: ›Mädchen , ich muss mal zum Klo.‹«
»Unmöglich« , urteilt der Spieß, »und Sie?«
Der zweite antwortet: »Ich würde sagen: ›Meine Dame, jeder Mensch muss mal müssen, und das ist jetzt bei mir der Fall.‹«
»Schon besser« , meint der Spieß, »aber noch nicht gut.
Und Sie?«
Der dritte steht auf, verbeugt sich leicht und sagt:
»Gnädiges Fräulein, ich muss leider mal eben vor die Tür und einem guten Freund die Hand geben, dessen Bekanntschaft Sie auch bald machen werden!«
Ich brauchte eine ganze Weile an diesem Abend, um den Vater davon zu überzeugen, dass seine Tochter noch nicht völlig missraten sei.
Eine andere Situation … Wir hatten Modefotos für ›twen‹ machen lassen und saßen bei mir zu Hause: Willy Fleckhaus als Chef der Zeitschrift, ein Modefotograf und vier Models oder
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