Die Wohltäter: Roman (German Edition)
sie mittlerweile beim Außenministerium. »Ich glaube, ich habe einfach keine Lust mitzumachen. Tu, was du willst, du weißt, dass ich dich nie verpfeifen würde. Aber halt mich da raus.«
»Halt mich da raus, halt mich da raus.« Zoran äffte ihn mit dem Tonfall eines alten Weibes nach. »Reiß dich zusammen. Dein Bruder macht sich Sorgen, dass du verblödest, deine Mama ist deprimiert, weil du dich weigerst zu heiraten und genauso wirst wie alle anderen, dein Vater hat es schon aufgegeben, überhaupt noch über dich zu reden. Halt mich da raus.« Er schüttelte erneut den Kopf und machte eine Pause, um zu niesen.
»So eine Chance kommt nie wieder. Ich organisiere das Ganze mit einem der Mädchen vom UN-Büro. Wir können in unsere Taschen zaubern, so viel wir wollen. Es ist das Ding des Jahres. Hör auf mit deinem schrägen Gewäsch darüber, dich raushalten zu wollen. Du bist dabei. Ob du willst oder nicht. Sei kein Schwede! Wir müssen alle Kohle scheffeln, auch du!« Zoran sah ihn empört an. »Also, genug geschwafelt, bre. Du bist und bleibst Ninos, und jetzt solltest du endlich ins echte Leben zurückkehren.«
In der Tat hatten sie genug geschwafelt. Unter dem Vorwand, dass seine Medizin nun anfange zu wirken und er sich hinlegen müsse, gelang es Ninos schließlich, Zoran loszuwerden. Das hinderte Zoran jedoch nicht daran, ihn eine Viertelstunde später bereits wieder vom Auto aus anzurufen.
»Wenn du willst, dass wir wieder so eine gute Sache drehen wie damals für Ceausescus Kinder, dann regeln wir das. Hauptsache, du wirst wieder glücklich und fängst an, dein Gehirn einzuschalten. Wir sprechen uns, sobald ich aus Monaco zurück bin.«
»Okay.« Ninos’ Ton war wohlwollend. »Ich muss darüber nachdenken. Muss erst mal Yamo im Restaurant helfen, wir reden später.«
Ninos verstand, wie gern Zoran ihn in die Wirklichkeit zurückholen wollte, und die Erinnerung daran, wie er selbst einmal versucht hatte, Gutes zu tun, entlockte ihm ein wehmütiges Lächeln. Nachdem er die Bilder aus dem rumänischen Kinderheim gesehen hatte, hatte Ninos seine Verwandten dazu überredet, einen Tagesumsatz des Restaurants zugunsten der Kinder zu spenden. Mit Ausnahme einiger Stammgäste, die das überflüssig fanden, weil Sida sich bereits mithilfe der Steuergelder um die Entwicklungshilfe kümmerte, spendeten die meisten Gäste auch noch zusätzlich Geld. So hatten sie am Ende Zehntausende von Kronen, die nach Rumänien gehen sollten, ans Rote Kreuz geschickt. Das Finanzamt war darüber jedoch nur wenig gerührt, und das Restaurant hatte schließlich beinahe hunderttausend Kronen an Zinsen und Säumnisgebühren zahlen müssen, weil Ninos so naiv gewesen war, zu glauben, man brauche für das, was man spende, weder Mehrwertsteuer noch Arbeitgeberbeiträge zu zahlen. Nach dieser Lehrstunde hatte er soziales Engagement in größerem Umfang vermieden.
Zuerst würde er in die Gaststätte in Skarpnäck fahren, und später konnte er in Ruhe sehen, was er sonst noch so an Arbeit finden konnte. Er zog ein sauberes Hemd an, es gelang ihm jedoch nicht, alle Knöpfe zuzuknöpfen. Dann rief er bei Taxi Stockholm an. Er wollte das Risiko eingehen – außerhalb seiner Wohnung konnte es ihm eigentlich auf keinen Fall schlechter gehen, als es ihm drinnen ging.
»Ein Taxi in die Pipersgata 13, bitte.«
»Auf welchen Namen?«
Ninos war kurz davor, »Melke Mire« zu sagen, überlegte es sich jedoch in letzter Sekunde anders, um der Dame aus der Zentrale nicht seinen ganzen Namen von vorn bis hinten buchstabieren zu müssen.
»Jansson . «
»Ist schon unterwegs.«
Der Taxifahrer hörte Radio. Eine nasale Frauenstimme sprach über die gestiegenen Langzeitkrankmeldungen. Ninos lag halb auf dem Rücksitz, seinen schmerzenden Arm auf der Brust. Ob es ihnen wohl noch rechtzeitig gelungen ist, mich in diese Statistik aufzunehmen, überlegte er zerstreut. Doch er war schließlich Ninos Melke Mire, und normalerweise besaß er die Energie eines kleineren Atomkraftwerks, das nun allerdings etwas verbeult war. Die Gedanken flogen ihm nur sehr behäbig zu und kreisten in seinem Kopf, ohne dass er sie zu sinnvollen Sätzen zusammenfügen konnte.
Das Taxi hielt etwas zu weit von der Gaststätte entfernt in einer Schneewehe, wo Nino sich ins Freie hinauswand und sich bis zu der braunen Holztür schleppte. Vielleicht sollte ich das lieber nicht tun, dachte er, aber man wird mich zwangseinweisen müssen, wenn ich nur einen einzigen Tag länger
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