Die Wohltäter: Roman (German Edition)
ist nicht leicht, sich die Voraussetzungen und Bedingungen vorzustellen, die in diesen Gegenden herrschen. HHH ist bemüht, die Teilnehmer bestmöglich auf die Schwierigkeiten vorzubereiten, mit denen sie während eines Aufenthaltes, beispielsweise in Afrika, konfrontiert werden. Das stellt den Teilnehmer vor große Herausforderungen. HHH kann nur bedauern, dass eine gewisse Minderheit damit nicht zurechtkommt. Wir können auch die Enttäuschung verstehen, die damit einhergeht. Aber die Ausbildung basiert auf einer freiwilligen Teilnahme, und wer sich nicht wohlfühlt, darf uns natürlich jederzeit verlassen, sofern er dies wünscht.«
Das Licht wurde eingeschaltet, und eine weibliche Reporterin ließ einen langen Redefluss von Fragen über Arbeitsrecht, Tarifverträge und Einstellungsbedingungen los.
Ninos erkannte die etwas schleppende, wohlartikulierte Stimme aus dem Radiobeitrag. Sie sprach lässig und selbstsicher und machte deutlich, dass niemand anders zu Wort kommen durfte, während sie redete.
Zu Ninos’ Erstaunen nahm Iversen die Fragen sehr ernst und beantwortete sie langsam und nachdenklich. Es schien, als wollte er alles, was sie fragte, zur Diskussion stellen. Die Missstände, die eventuell herrschten, sollten behoben werden, erklärte er.
»Worauf will sie hinaus?«, flüsterte Ninos in Richtung Emil. »Glaubt sie allen Ernstes, es gehe nur darum?«
Emil zuckte fast unmerklich mit den Schultern. »So funktioniert das Spiel«, flüsterte er zurück. »Das Radio wählt eine eigene Fragestellung, anstatt an unseren Artikel anzuknüpfen. Und es versteht sich von selbst, dass HHH lieber mit ihnen spricht, denn es ist ja zu ihrem Vorteil, nur über die Arbeitsbedingungen in den Läden zu sprechen. Das lenkt von uns ab. Sie wissen, dass dieses Thema unwichtig ist, verglichen mit dem, was wir haben.«
Ninos ließ die Reporterin einige Minuten gewähren. Er war noch nie auf einer Pressekonferenz gewesen, aber er begriff, dass von einer geordneten Reihenfolge nicht die Rede sein konnte. Wer am lautesten und meisten redete, behielt das Wort. Das sollte nicht die Dame vom Radio sein, hatte Ninos beschlossen. Schnell stand er auf und stellte mit lauter Stimme seine Frage. »Sie sagen, dass mindestens vierzig Prozent der Spenden ankommen?«
»Das stimmt«, antwortete Iversen und sah ihn verwundert an. »So sind die Vorschriften für das Sammeln von Spenden. Sie gelten für alle.«
Ninos hielt eine Akte in die Luft. »Aus dieser Rechnungslegung, die aus einem ihrer Läden stammt, geht hervor, dass Sie vor einigen Jahren drei Millionen Kronen Schulden hatten. Wie kann das Geld ankommen, wenn Sie Schulden haben?«
Iversen sah irritiert auf. »Wo kommen Sie her? Von welcher Zeitung sind Sie?«
Ninos stellte sich und Emil als Reporter der Morgenzeitung vor, was Iversen nur dazu bewog, den Mund zu verziehen.
»Erstens wurden Sie nicht eingeladen. In dieser Presseveranstaltung geht es um das Arbeitsrecht und darum, was die Gewerkschaft uns vorwirft. Zweitens ist das, was Sie in Ihren Artikeln als ›Beweise‹ bezeichnen, pure Erfindung.« Er schüttelte den Kopf. »Im Übrigen habe ich sie noch nicht einmal gründlich gelesen. Und ich habe definitiv nicht vor, über irgendeine Buchhaltung zu sprechen, die Ihnen angeblich vorliegt.«
»Sie überweisen Geld an eine Adresse in Dänemark, wo ein gewisser Jens Karsten Møller wohnt. Wer ist das?«, fuhr Ninos fort.
Iversen warf einen hektischen Blick auf die Kameras, die wieder liefen. »Ich werde mit Ihnen nichts diskutieren, was unsere internen Vorgänge betrifft.« Er lächelte angestrengt den anderen Journalisten zu. »Aber Sie dürfen gern eine Frage stellen, jetzt, wo Sie hier sind. Wir haben nichts zu verbergen und begrüßen einen offenen Dialog.«
Emil machte eine beschwichtigende Geste in Richtung Ninos, damit er sich setzte und sie besprechen konnten, welche Frage sie stellen wollten. Aber Ninos weigerte sich, die Gelegenheit aufzugeben. Es gab keinen Grund, sich zurückzuhalten. Allerdings sollte Iversen einen sanften Einstieg erleben, dachte er genießerisch.
»Man hat Ihnen gerade Ihr 90er-Konto aberkannt«, begann er. »Die Stiftung für Spendensammlung fordert unter anderem, dass die Büchsen, in die die Menschen ihre Spenden werfen, plombiert sein müssen. Keine von Ihren Büchsen ist plombiert. Jeder, der möchte, kann seine Hand hineinstecken und sich einen Zwanziger herausnehmen oder die ganze Büchse für sich selbst leeren. Wie erklären
Weitere Kostenlose Bücher