Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Ausdruck des Berichts wollte sie ihr allerdings nicht heraussuchen. Das erschien ihr zu risikoreich. Also war Karin gezwungen, zu warten, bis der Archivar sein Urteil gesprochen hatte. Jetzt lag es also an ihr, herauszufinden, ob es ein Puzzle gab, das sie, ausgehend von ihren wenigen Informationen, zusammensetzen konnte.
Mehrere HHH-Projekte in Afrika waren von Sida finanziert worden, und Bexelius wollte wissen, wie dies vonstatten gegangen war. Aber wie sollte Karin herausfinden, wie die Antwort lautete? Und worauf wollte die Morgenzeitung hinaus?
Karin fühlte sich nicht sonderlich raffiniert, als sie am Ende selbst darauf kam. Warum rufst du nicht selbst Bexelius an und fragst sie, du Leuchte, murmelte sie halblaut in den dunklen Radiokorridor hinaus.
38
Wir bauten gemeinsam Schulen und Krankenhäuser. Wir kämpften Seite an Seite. Wir hielten zusammen, als niemand sonst an uns glaubte – als die Staaten uns unterdrückten und die internationale Gemeinschaft unsere Stimme nicht erhörte. Hand in Hand arbeiteten wir uns voran, nach oben, hin zu einem besseren Morgen für Zimbabwe. Hand in Hand werden wir vereint stehen, in einer besseren Zukunft für unser Volk. Ich danke euch, dass ihr hier bei uns seid und uns eure Solidarität erweist. Hilfe von Hand zu Hand – ihr seid unsere Brüder.
Ninos sah erwartungsvoll von seinem Sofa auf, wo er gerade lag und laut aus Mugabes schwülstiger Einweihungsrede zur Eröffnung des HHH-Hauptquartiers in Harare vorlas.
»Was sagst du dazu«, sagte er schmunzelnd zu Emil. »Sie sind Brüder. Einer der weltweit schlimmsten Diktatoren und unser dänischer Sektenführer. Ist das nicht schön. Hier steht auch das Datum. März letzten Jahres. Wir sollten das im Ganzen abdrucken, finde ich. Und daneben veröffentlichen wir das Zitat einer, wie du sie nennst, ranghohen Informantin aus dem Außenministerium, dass Mugabe alle schwedischen Steuergelder, die wir schicken, in die eigene Tasche steckt.«
»Hmm«, war der einzige Laut, den Emil von sich gab, während er eintippte, was Ninos vorlas. Beide spürten den Druck, der auf ihnen lastete. Ihr Fortsetzungsartikel würde eine Sensation werden, aber nun ging es darum, ihn zu veröffentlichen, bevor das Radio mit seiner farblosen Variante, die sich lediglich auf das Arbeitsrecht beschränkte, die Oberhand in der HHH-Berichterstattung gewann. Jetzt ging es um Steuerbetrug. Wenn es etwas gab, das sowohl das Thema Sekten oder, wie im aktuellen Fall, das Arbeitsrecht übertrumpfen konnte, dann war es die Steuerhinterziehung – die größte aller Sünden, die man in einem Wohlfahrtsstaat begehen kann.
Mithilfe der Buchführungsunterlagen aus Göteborg, die sowohl die Kleidersammlung als auch die Wohltätigkeitsarbeit betraf, konnten sie beweisen, wie viel Mehrwertsteuer dem Staat entging. Da der Sida-Bericht zu dem Schluss kam, dass die Gelder nicht an ihrem Bestimmungsort eintrafen, disqualifizierte sich HHH als mehrwehrtsteuerbefreiter Verein und hätte aus diesem Grund Steuern zahlen müssen. Mehrere Steuerexperten schätzten in Interviews, dass HHH den Staat aus diesem Grund um Hunderte Millionen Kronen betrogen hatte.
Durch einige Anrufe hatte Emil zudem herausgefunden, dass die HHH-Container in sämtlichen Kommunen kostenlos aufgestellt werden durften. Die Buchführungsunterlagen aus Göteborg enthielten offenkundig gefälschte Rechnungen. Das schwerstwiegende Argument war das Zitat aus dem Sida-Bericht, das besagte, dass anscheinend nur zwei Prozent des Geldes, das das schwedische Volk in die ärmsten Länder Afrikas hatte schicken wollen, in irgendeine Form von Entwicklungshilfe umgesetzt worden waren.
Sie rundeten den Artikel damit ab, dass die schwedische Regierung nicht nur Entwicklungshilfe verschwendet hatte, die nie angekommen war, sondern zusätzlich auch noch große Summen direkt an einen gefürchteten Diktator überwiesen hatte.
Emil weigerte sich allerdings, darüber zu spekulieren, wie Zimbabwe die Gelder investiert hatte, obwohl Ninos hartnäckig Matays Waffentheorie wiederholte.
Als ergänzenden Schachzug zu den Enthüllungen des Sida-Berichts hatte Ninos mit den staatlichen Entwicklungshilfeorganen Großbritanniens und der USA telefoniert und erfahren, dass sie ebenfalls HHH-Projekte in den besagten Ländern gefördert hatten. Auf diese Weise hatte sich HHH für dieselben Projekte gleichzeitig von verschiedenen Seiten Förderung zunutze machen können, obwohl diese Projekte gar nicht existierten.
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