0459 - Geheimwaffe Ghoul
»Wenn du auf dieser Welt einen Vorgeschmack auf die Hölle haben willst, so fahre nach Island.«
Irgend jemand hatte mir diesen Satz einmal gesagt, und er hatte nicht übertrieben.
Island war fast ein Vorhof zur Hölle. Jedenfalls das Gebiet, in dem ich mich aufhielt. Ich war sowieso froh gewesen, daß es der Range Rover bis hierher geschafft hatte. Die Wege waren steil, kurvig und steinig gewesen. Der Wagen hatte manchmal wie eine Gemse klettern müssen, doch ich hatte mir diesen verdammten Treffpunkt nicht ausgesucht, er war mir von der CIA vorgeschrieben worden.
Island ist auch bekannt für sein Wetter. Es regnete zwar nicht, aber der Wind peitschte mir aus wechselnden Richtungen ins Gesicht. Er brachte den Geruch von Schwefel mit. Einige der heißen Geysirquellen, die dafür verantwortlich waren, gab es ganz in der Nähe. Zudem wurde ich den Eindruck nicht los, daß der schiefergraue Boden unter meinen Füßen ständig vibrierte, kochte und brodelte. Wenn sich vor meinen Füßen ein Krater gebildet hätte, hätte ich es akzeptiert.
Der steife Wind fuhr gegen den Mantelstoff und ließ ihn knattern.
Manchmal vertrieb er auch den Qualm, dann konnte ich über den Rand des Vulkan-Plateaus hinwegschauen, sah in eine weite Ebene und erkannte am Horizont die Hauptstadt Reykjavik. Sie hatte sich in den letzten beiden Tagen in einen Hexenkessel verwandelt, weil sich in der Stadt die mächtigsten Männer der Welt, Reagan und Gorbatschow, zu Friedensgesprächen treffen wollten.
Mein Fall sollte indirekt damit zu tun haben. Genaues wußte ich nicht. Suko und ich waren von unserem Chef, Sir James, praktisch losgehetzt worden, ohne daß wir großartige Erklärungen bekommen hätten. Die sollte uns der CIA geben.
Im Hotel war ich angerufen worden, hatte das Losungswort erfahren und war mit dem gemieteten Range Rover losgefahren. Es war kurz vor zwölf, doch von einer Sonne war nichts zu sehen. Ein Mittag mit dicken Wolken am unendlich weit erscheinenden Himmel, die zum Spielball der Winde wurden. Über Island entstand das Wetter, das uns Engländer so oft den Regen brachte. Doch auf dieser Insel regnete es noch mehr.
Ich habe einen der Tage erwischt, wo es nur windig war. Die aus den Bodenspalten und rissen steigenden Dämpfe trieben manchmal in regelrechten Wirbeln über das flache Land, das erst zum Norden hin wie eine gewaltige aschgraue Wand aussah. Dort begann ein Felsengebirge, das an eine Mondlandschaft erinnerte und auch menschenfeindlich war.
Island – ein Name, der Schauer erzeugen konnte. Hier sind im 12. bis 14. Jahrhundert die germanischen Götter- und Heldenlieder der Edda und die etwa 30 isländischen Sagas geschrieben worden.
Auch ich war schon mit einer dämonischen Vergangenheit der Insel konfrontiert worden. Damals, als wir gegen den Dämon Nyrana kämpften, aus dessen Haut die Riemen der Dämonenpeitsche bestanden. Aber das lag lange zurück.
Ich stellte mich gegen den Wind und wandte der unter mir liegenden Ebene den Rücken zu. Wo ich mich aufhielt, wuchs kein Grashalm. Einige hundert Yards weiter sah ich einen nur schwachen grünen Teppich auf schrägem Felsgestein. Die einzige Vegetation in der Nähe, obwohl die Ebenen mit ihren grünen Weiten und herrlichen Hügeln ein wenig an Irland erinnerten. Auch das isländische Klima ist im Vergleich zu seiner geografischen Lage nicht zu kalt. Der Golfstrom ist dafür verantwortlich.
In der Erde kochte und brodelte es. Die Schwefeldämpfe hörten nie auf. Sie vermischten sich mit den oft tiefliegenden Wolken und wurden ebenfalls über das Land gejagt.
An den Geruch hatte ich mich mittlerweile gewöhnt, obwohl es mir schwer gefallen war, aber ein anderer Gestank erreichte plötzlich meine Nase. Auch als widerlich zu bezeichnen, noch schlimmer als die faulig riechenden Schwefelgase.
Das war Moder…
Als modrig konnte man auch alte Kleidungsstücke bezeichnen, aber dieser Geruch hier war typisch.
So rochen Leichen, wenn sie zu lange über der Erde gestanden hatten. Ich schluckte, und über meinem Rücken rann ein kalter Schauer.
Hatte ich mich getäuscht, bildete ich mir schon etwas ein? Bei meinem Job wäre das sogar leicht möglich gewesen.
Ich drehte meinen Kopf in die andere Richtung, aber da war nichts, bis auf den Schwefelgestank. Ich ging einige Schritte auf die Ballungszentren der Dämpfe zu. Jetzt erst sah ich, daß die Spalten verdammt breit waren, aus denen der Dampf strömte. Ein falscher Tritt, und man klemmte mit dem Fuß
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